jänner-februar 2002

Thomas Neuhold
titel

Projekt Stadtreparatur

Allen Kampagnen zum Trotz: Die Stadt Salzburg bekommt langsam aber stetig ein neues Gesicht

Wer sich mit der Salzburger Stadtplanung beschäftigt, sollte im doppelten Sinn des Wortes ausgeschlafen sein. Zum einen, weil der Leiter der städtischen Planungsabteilung Gerhard Doblhamer Gesprächstermine auch schon vor acht Uhr morgens ansetzt. Zum anderen, weil Doblhamer – seit 1972 in der »Neuner«, wie die »Abteilung Neun – Stadtplanung« im internen Magistratsjargon heißt - die Landeshauptstadt in- und auswendig kennt und weder Stadtplan noch historische Planungsunterlagen benötigt, um seine Vision der qualitativen Stadtentwicklung zu skizzieren.

Das Fundament dessen, was Doblhamer mit „Stadtentwicklung nach innen“ umschreibt, wurde von den Bürgerbewegungen der siebziger Jahre gelegt. Im Unterschied zu Linz oder Graz hat die von der frühen Bürgerliste politisch erkämpfte Grünlanddeklaration – also ein Schutzgebot für große Flächen vor allem im Süden der Stadt - die Abkehr von bis dahin gültigen traditionellen Vorstellungen einer Stadterweiterung der Marke Taxham oder Alpenstraße zwingend notwendig gemacht. Diese Deklaration und die von Bürgerlistenstadtrat Johannes Voggenhuber durchgesetzte Architekturreform sind bis heute die Eckpfeiler für eine Planung »nach innen«.

Folgt man Doblhamers Argumenten, dann handelten die aufmüpfigen Bürger von damals visionärer, als ihnen wahrscheinlich bewusst gewesen ist. Die Absage an die Quantität, an das Wuchern der Stadtrandgebiete sei von allen vergleichbaren österreichischen Städten nur von Salzburg „aktiv betrieben worden“, so der Planungssenatsrat. Die Ernte habe die Mozartstadt erstmals bei der Volkszählung 2001 eingefahren: Während Graz, Innsbruck oder Linz dramatische Einwohnerverluste hinnehmen mussten, erreichte Salzburg „plus/minus Null“.

Denken in Jahrzehnten

Wie gesagt, die Grundsteine dieses Erfolges sind vor zirka 30 Jahren gelegt worden. Ein Problem, mit dem Planer wohl auf der ganzen Welt zu kämpfen haben: Während viele einflussreiche Medienleute meist nur in Tages- oder Wocheneinheiten, mächtige Betriebe und Konzerne in Quartalsrenditen oder Jahresbilanzen und Politiker bestenfalls in Wahlperioden denken, haben Stadt- und Raumplaner weit längere Zeithorizonte. Erfolge wie auch Fehler machen sich um einiges später bemerkbar, als in anderen Gebieten; politisch oder ökonomisch erzwungene Verzögerungen tun ihr Übriges zum etwas anderen Zeitbegriff.

Der vorläufige Abschied vom Bahnhofsum- oder -neubau ist so ein Beispiel. Salzburg hat trotz fixer Zusagen von der damaligen ÖBB-Spitze unter Helmut Draxler das Projekt verschlafen. Statt vernünftiger Kompromisse in der Frage denkmalgeschützter Bauteile und des notwendigen Mittelbahnsteiges setzte sich die von der Landespolitik willig exekutierte kleinformatige Blockadepolitik durch. Nicht einmal sieben Millionen Euro blieben letztlich für Planungszwecke übrig. „Eine Tragödie“, so Doblhamer im »kunstfehler«-Gespräch. Jetzt sieht er bestenfalls „mittelfristige Chancen“ für die dringend notwendige Sanierung des Bahnhofes.

Wie soll das gehen, angesichts der zunehmenden Abkoppelung Salzburgs von Infrastrukturprojekten des Bundes? „Die ÖBB brauchen Geld“, so Doblhamer. Daher müssten sie ihre Liegenschaften in Schallmoos verkaufen. Da lägen Junktimierungen mit dem Neubau sozusagen auf der Hand.

Drei Visionen

Der Bahnhof ist freilich nur eine Front, wo Kleinformat und/oder Freiheitliche die »Stadtreparatur« zu verhindern suchen. Die Pflasterung des Makartplatzes ist die aktuellste. Auch hier machten die ohnehin leidgeprüften Planungsbeamten wieder einmal ihre Erfahrungen mit blauer Parteitaktik. Stadtvize Siegfried Mitterdorfer habe sich an der inhaltlichen Diskussion nie beteiligt, sondern sich schon aus der ersten Sitzung der Jury mit einem zynischen „Viel Glück“ verabschiedet, gewährt Doblhamer Einblick hinter die Kulissen kommunalpolitischer Ränkespiele.

Die Abkehr vom »Beserlpark« hin zum »urbanen Raum Makartplatz« wäre allerdings nur der Anfang zu einer der größten Würfe in der Altstadtgestaltung. In der Vision der Planungsabteilung soll ein vom Individualverkehr befreiter Raum im gesamten Bereich linker und rechter Altstadt entstehen. Als Ersatz für den innerstädtischen Verkehr böte sich „aus fachlicher Sicht“ (Doblhamer) der Kapuzinerbergtunnel an.

Bis dahin ist allerdings noch ein weiter Weg. Die Pflasterung des Makartplatzes wäre aber wie die für Juli 2003 geplante Fertigstellung der Radwegunterführung des linken Staatsbrückenkopfes - Kostenpunkt etwa 3,6 Millionen Euro (50 Mio. S) - ein erster Schritt dahin. Der große Brocken heißt Hanuschplatz/AVA-Hof. Die bisher vorliegenden Konzepte – der desolate AVA-Hof wird nur notdürftig saniert und am Hanuschplatz könnte ein vom Architekturbüro »Halle 1« konzipierter gläserner »Mississippidampfer« entstehen – bringen für Doblhamer als typische „kleine Lösung“ nichts.

Zeitlich etwas näher als im besonders sensiblen Alstadtbereich könnten die angestrebten Reparaturen in Lehen sein. Hier sind plötzlich zwei zentrale und große Flächen frei: Das nach der Fertigstellung des Betonovals in Kleßheim überflüssige Lehener Stadion und die brachliegende Fläche der Stadtwerke, die nach der Fusion mit der SAFE in die Zentrale der Salzburg AG übersiedelt sind.

„Lehen braucht neue Impulse“, sagt Doblhamer. Der Stadtteil, in dem immerhin zehn Prozent der Stadt-Salzburger wohnen, ist zum Seniorenghetto verkommen. Während für die Fläche des Stadions – allein das Auffahren der Abrissbirne kostet der Stadt voraussichtlich 2,2 Millionen Euro (30 Mio. S) – eine gemischte Nutzung aus Grünanlage und »Naschmarkt« zumindest in Denkweite ist, tappen die Planer beim Stadtwerkeareal noch im Dunkeln. Nicht dass sie keine Vorstellungen hätten – Doblhamer denkt zum Beispiel an neue Fachhochschulen zur Verjüngung Lehens –, sondern weil nicht klar ist, wie sich die Salzburg AG und deren Eigentümer, das Land, verhalten. Konkret: Wird der Grund einfach stückweise zu Geld gemacht oder gelingt es, gemeinsam mit der Stadt ein tragfähiges Konzept umzusetzen?

Mit solchen externen Unwägbarkeiten kämpft die Stadt auch beim Projekt Uni-Park. Durch dieses soll das ganze Nonntal ein neues Gesicht bekommen. Zwar ist der städtebauliche Wettbewerb, im Zuge dessen der Neubau der ARGE Kulturgelände Nonntal aus dem Gesamtprojekt herausgelöst und vorgezogen werden soll, nach langer Wartezeit am Weg, der Neubau der Geisteswissenschaften und von Teilen des Mozarteums im Nonntal freilich scheitert an der Bundesregierung.

Über den Tellerrand

Die Grenzen der Stadtplanung enden – formal betrachtet – an der Stadtgrenze. Politisch formuliert, rennt Doblhamers Team oft gegen die Mauern der anderen Gebietskörperschaften. Das sind nicht nur Land und Bund. Gerade einige Umlandgemeinden stellen Monsterprojekte direkt an die Stadtgrenze. Risiken und Nebenwirkungen sind dann von der Stadt zu tragen. Die Vorteile lukrieren andere.

Doblhamer versucht dennoch über den Tellerrand hinauszudenken. Seine Bilanz fällt dabei sehr negativ aus: Die Region habe viele Chancen vertan und massiv an Attraktivität und Terrain verloren. Die Gründe dafür seien vielfältig: Durch den EU-Beitritt Österreichs hätten sich die regionalen Gewichte verschoben; der ehemals vorhandene bundespolitische Einfluss – von VP-Bundeskanzler Josef Klaus bis hin zum VP-»Königsmacher« Hans Katschthaler - sei weitgehend dahin; dazu kämen noch hausgemachte „Kardinalfehler“ wie die Absage an das »Guggenheim-Hollein-Museum«.

Salzburg müsste sich in der Region neu positionieren, fordert der Beamte im Gleichklang mit seinem Ressortchef Johann Padutsch (Bürgerliste). Dazu wäre eine stärkere Orientierung nach Bayern bis Rosenheim fällig. Aber das bedürfe natürlich auch einer Politik, „die das mitträgt.“