jänner-februar 2002

Doc Holliday
grausame orte

Gruselwandern in Salzburg

Weltkulturerbe der Verdammten

Eigentlich hätte dies eine richtige Stadtwanderung mit mindestens fünf Kontrollpunkten werden sollen. Ein kleiner Führer zu städtebaulichen Pretiosen, die es - das sei hier der Gerechtigkeit halber erwähnt - nicht nur in Salzburg gibt. Aber in DER Festspiel- und Kulturstadt bilden diese Ensembles des Grauens denn doch unrühmliche Beweise einer von jeglicher Stadtplanung und Baukultur unberührt gebliebenen Barbarei. Der vorherrschende Eindruck letzterer mag erklärbar machen, warum Ihr ergebener Wandersmann und Tourenbuchautor bereits nach einer Station die dringend benötigte Auszeit nahm.

Start an einem grauen Wintertag: Vom schicken Lehen geht es Richtung Schallmoos. Genauer dorthin, wo dieser Vorort mit Gnigl und Parsch zusammenwächst. Ziel ist die Sterneck-Kreuzung, also das Aufeinanderprallen von Linzer Bundes- und Sterneckstraße. Im Schatten des Berges wie in einem Kessel gelegen, ein Eindruck, den das nahe ZIB noch verstärkt, genießen die AnrainerInnen oder BesucherInnen (die es aber nur in Form der hastig Durchreisenden gibt) bestenfalls am Vormittag etwas Sonne. Wer kümmert sich schon um solche Lappalien, muss doch der verwegene Fußgänger zuerst ums Überleben kämpfen: Angesichts einer Verkehrslawine (mit gratis mitgeliefertem Abgas- und Lärmterror), die bestenfalls um drei Uhr morgens leicht an Heftigkeit nachlässt. Wo heute die Ein- und Ausfallstraßen dominieren, war bis 1880 noch Sumpf. Der aber konnte kaum lebensfeindlicher gewesen sein als diese Verkehrswüste. Überraschenderweise leben, wohl eher: müssen hier auch richtige Menschen leben. In Wohnblocks aus den frühen 70ern (mit sinnigen Loggias), die sich bestens, wenn schon nicht in das Stilgemisch der übrigen Bauten, doch in den Gesamteindruck der Kreuzung einordnen: Asphalt, Betonfassaden, Betonplatten, Blech. Der Ausblick überwältigt: Tankstelle mit Autoverleih, die Geschützten Werkstätten (den Schwächsten in der Gesellschaft kann man wohl alles zumuten) - die mit Fensterschlitzen ohnedies den Eindruck des Sich-Abschotten-Wollens erwecken - und der postmoderne Bau im feschen Rot: Casino-Cafe Full House. Aus den Schlitzen sind dort längst echte Schießscharten geworden. Das mag für ein Glücksspieletablissement passen. Verstärkt aber den Eindruck, dass in dieser Gegend die unglücklichen Menschen auf einen Krieg mit all seinen städtebaulichen Veränderungen geradezu warten. Eine Hexenkesselschlacht, die in der von Handel und Gewerbe beherrschten, trostlosen Sterneckstraße jetzt schon tobt: In den funktionalen Schachtelbauten (Hauptsache, Dach über dem Kopf) der Großmärkte regiert in der Vorweihnachtszeit der Kampf um die Konsumgüter. Die „Fastbox“ trägt das Motto im Namen. Und jetzt husch, husch zur Erholung nach Lehen.