dezember 2001

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Im Lodenmantel ist nicht gut jazzen

Die Musikstadt Salzburg kommt immer noch ohne Jazzszene aus

Von Elisabeth Krista, Mario Steidl, Ilse Wolek und Daniela Müller

Eine Salzburger Mozartkugel hat mit der Kulturszene in Salzburg eines gemeinsam: Drin ist, was draufsteht. Und das Etikett der Mozartstadt hält sein Versprechen: Klassisches Kulturgut im Überschwang, das einen beim Betreten der künstlerischen Bühnen Salzburgs beinahe erschlägt. Die zeitgenössische Kunst hingegen existiert nur als Nebenerscheinung.

Das ist der Tenor, in den sowohl Musiker als auch Veranstalter der Salzburger Jazzszene einstimmig einfallen. Der Jazz ist nur ein Stiefkind der Kulturszene und das beginnt bereits bei den Ausbildungsmöglichkeiten. Robert Kainar, selbst Jazzmusiker und Mitinitiator des Internationalen Jazzseminars, das seit vier Jahren in Salzburg stattfindet, weiß ein Lied davon zu singen. „Es ist wirklich ein Manko, dass eine Kulturstadt wie Salzburg noch immer keine eigene Jazzschule aufzuweisen hat.“ Es gebe zwar einen kleinen Bereich am Mozarteum, der sich mit Jazzmusik auseinander setzt und diese auch unterrichtet, grundsätzlich werde eine solche Entwicklung aber abgeblockt. Lediglich einige Musiklehrer würden mit Eigeninitiative etwas auf die Beine stellen. Dass das Interesse, Jazz zu erlernen, aber sehr wohl vorhanden ist, beweisen die Teilnehmerzahlen am Jazzseminar. Alle Veranstaltungen waren beinahe ausgebucht. Auch Gerhard Eder, Vorsitzender des Salzburger Kulturbeirats und Künstlerischer Leiter des Jazzfestivals Saalfelden, sieht im Fehlen von fundierten Ausbildungsmöglichkeiten die Ursache dafür, dass sich Zentren wie Linz, Graz oder Wien herausbilden, weil man „dort sowohl auf eine Ausbildung als auch auf Institutionen zurückgreifen kann, in denen eine ganz andere Konzerttätigkeit vorhanden ist.“

Institutionen, die in Salzburg fehlen. Abgesehen von gelegentlichen Events, wie sie etwa in der ARGE Nonntal oder im Jazzklub »Life« stattfinden, ist Salzburg hinsichtlich einer dauerhaften Einrichtung, die das Experimentelle fördert, ein weißer Fleck auf der Landkarte der zeitgenössischen Musik. Manfred Wambacher, Saxofonist und Mitbegründer der »oy.oy.oy. Bigband«, kritisiert, dass es nur diverse Lokale gebe, in denen hin und wieder Jazz gespielt wird. „Eine dauerhafte Plattform, auf der sich auch heimische Jazzmusiker präsentieren können, gibt es aber nicht. Obwohl es in Salzburg wirklich sehr gute Musiker gibt.“ Von denen sich allerdings viele gebärden wie kleinkarierte Mitglieder eines Symphonieorchesters. Nicht gegenseitige Solidarität und Experimentierfreude, sondern Mobbing und Missgunst herrschen vor. Mit ein Grund, warum die Szene sich nicht weiterentwickelt. Ein definitives Jazzlokal vermissen aber viele.

Dem möchte Andi Neumayer, die Seele von »JazziT«, Abhilfe schaffen. Neumayer organisiert seit fast 20 Jahren Jazzkonzerte in Salzburg, ohne dabei Gefahr zu laufen, einseitig zu werden. Egal ob traditioneller Jazz, elektronische oder experimentelle Projekte, Vielseitigkeit und Qualität sind Neumayer ein großes Anliegen Im ehemaligen KP-Heim in der Elisabethstraße, das zugleich als Vereinsheim für JazziT dienen wird, eröffnet er im Jänner ein Jazzlokal, in dem ein- bis zweimal die Woche Live-Acts auf dem Programm stehen sollen. „Dort wird es auch eine Auftrittsmöglichkeit für junge Jazzkünstler geben.“

Gerhard Eder ist diesbezüglich anderer Meinung. „Ich glaube nicht, dass das eine Frage der Lokale, sondern eine Frage von Produktionsbedingungen ist. Wir dürfen nicht so sehr auf das Veranstalten fixiert sein. Wir müssen schauen, wie wir es schaffen, den Qualitätsstandard zu heben und internationale Musiker zu entwickeln. Wir brauchen die Möglichkeit, in ein entsprechend ausgestattetes Studio zu gehen, um dort Experimente zu machen. Das würde den Erfahrungsaustausch der Musiker, die Möglichkeit auf andere Kunstrichtungen zu stoßen und somit deren Weiterentwicklung fördern.“

Als hätte die Jazzszene mit diesen Problemen nicht schon genug zu kämpfen, wird sie auch noch bei den Subventionen kurz gehalten. Während mit den Festspielen ein Aushängeschild der Kunst geschaffen wird, geht man die restliche Zeit des Jahres auf die Otto-Normalverbraucher-Schiene zurück. Mit einem Jahresprogramm, das keinen Anspruch auf Internationalität und Wichtigkeit haben darf. Geringe Förderungen werden wie abfallende Brotkrumen an die Szene verteilt. Lediglich 4,5 Prozent der Förderungen fallen der zeitgenössischen Musik zu. Nur im Herbst öffnen der Veranstalter Johannes Kunz und die Stadt Salzburg die heiligen Hallen der Klassik für Jazz-Großereignisse. Die Geldbeschaffung für seinen Jazzherbst erweist sich als ein Kunz-Stück ohne Beispiel. Förderungen aus dem Festspielbudget, dem Tourismusbudget und dem Kulturbudget der Stadt werden Kunz förmlich aufgedrängt. „International ist diese Veranstaltung bedeutungslos. Wenn man sich dieses Programm des Jazzherbst ansieht, dann muss es möglichst traditionell, festspielkompatibel und marketingtechnisch verwertbar sein. Ob jetzt die Tourismusfraktion der Stadt sagt, das ist uns wichtig, dagegen wäre nichts einzuwenden. Es dürfte dafür aber eigentlich keine Förderung aus dem Kulturbudget geben. Auf der ganzen Welt gibt es dafür keine Unterstützung, so was ist wie ein Eigenrenner, der sich von selbst verkaufen müsste.“ Eder steht mit seiner Meinung nicht allein da. Die Förderungspolitik des Landes stößt Musikern wie Veranstaltern gleich sauer auf.

Hinzu kommt, dass der Jazzherbst sogar eine eigene Haushaltsstelle hat und dort namentlich aufscheint, während andere Initiativen, egal ob Rockhaus, Arge oder das Jazzfestival Saalfelden unter »sonstige Veranstaltungen« oder »Maßnahmen der Kulturpflege« laufen. Gerhard Eder nennt das im Kulturbeirat „die psychologische Barriere“. Denn eigentlich wäre es eine selbstverständliche Ehrerbietung oder eine Akzeptanz, würde man wesentliche institutionelle Einrichtungen in einem Haushalt namentlich anführen.

Eine Tatsache, die symptomatisch ist für den Stellenwert der zeitgenössischen Musik in der Kulturpolitik Salzburgs. Sie ist ein namenloser Wurmfortsatz, der eigentlich gar nicht erwünscht ist...