Aura der Verwesung

Seit sechs Jahren das gleiche Lied: Salzburg zeigt sich auch im November von seiner grauslichsten Seite.

Als wären die Einwohner, denen noch ein Funken Geist in der Birne wohnt, nicht ohnedies schon genug geprüft, da fällt Johannes Kunz, der von Landeshauptmann Franz Schausberger hochdekorierte Unterhaltungsexperte, Witzesammler und Salonsozialdemokrat aus Wien, mit seinem »Jazzherbst« in Salzburg ein. Der Grund für diese unerträgliche Belästigung ist schnell geortet: Der »Jazzherbst« soll mit Festspielflair aufgewertet werden.

Dem gediegenen und musealen Ambiente entspricht das Publikum. Eine Ansammlung von gehobenen Mittelklassebürgern, deren Arroganz mancherlei Ursachen, nie aber gute Gründe hat.

Der gelackte Jungschnösel, der pseudointellektuelle Angeber, die eingebildeten Kommerzien- und Studienräte: Diese Provinz-Hautevolee mit ausgeprägtem Sinn für elitäre Exotik, die sie zur Toleranz konventioneller Negermusik verleitet hat, tritt an zum Defilee der Zombiegesichter. Die kulturelle Unterscheidungsfähigkeit der »Generation S und A-Klasse« erschöpft sich ansonsten im gekonnten Bestellen eines Prosecco.

Übel steht es auch um die Programmierung der Veranstaltung. Um das Publikum nicht zu überfordern und vielleicht auch einmal (mit Hilfe von Subventionen) ordentlich Reibach machen zu können, kommen die Musiker fast ausschließlich aus dem klassischen Kanon des Jazz. Im Klartext: Verstaubte Betulichkeitsmusik, die vornehmlich überkommene Klischees reproduziert.

Bei so viel musealer Wiederverwertung darf die akademische Forschung nicht zurückstehen. »Satchmo meets Amadeus« nennt sich das Projekt, das Salzburg und New Orleans zu Partnern der Geschichtsklitterung macht. Zur höheren Ehre der Profitmaximierung in der Tourismusbranche organisiert der Salzburger Historiker Reinhold Wagnleitner in beiden Städten Symposien und Konzerte, die den Blick in die Vergangenheit richten. Freilich verkünden die intellektuellen Kapazunder die verblüffende Erkenntnis, dass Armstrong und Mozart Hauptgarant für gute Umsätze sind. Vom aktuellen Rassismus zu sprechen wäre aber Geschäftsstörung. Das Klingeln der Registrierkassa - That`s the Sound Of Music!