november 2001

Didi Neidhart
gehört

Musik

Merricks

Silver Disc

Sub Up/Ixthuluh

In der fremden und seltsamen Welt der Münchner »Merricks« gehen die Uhren bekanntlich etwas anders. Zwar einigte man sich noch 1997 auf den »Sound Of Munich« (Moroder & Co), legte dann aber knapp zwei Jahre später mit »Escape From Planet Munich« die glitzernden Discohemden und Schlaghosen radikal wieder ab. Mit »Silver Disc« (Sub Up/EFA/Ixthuluh) scheint nun die Discokugel endgültig der Vergangenheit anzugehören. Stattdessen erweisen sich die Merricks als versierteste Exotica-KennerInnen. Auch wenn der Opener »Disco Es Cultura« zuerst noch auf eher bekannte Territorien verweist. Weshalb auch der Begriff »Exotica« diesmal eher durch die dunklen Hornbrillen verblichener Cold War/Spionage Thriller gesehen wird. Wenn schon »Exotica«, dann verstehen die Merricks darunter eben auch Rumänien (»Bank Of Transylvania«) bzw. überhaupt den Balkan. Brasilien und die Karibik werden aber selbstverständlich auch angesteuert. Was natürlich auch ungeheuren Spaß macht und bei »Burn Munich Down« als Art Cubana-Samba mit Revolutions-Bräuhaus/Diskotheken-Gesängen daherkommt.

Filippo Naughty Moscatello

Disco Volante

International DeeJay Gigolo/EFA/Ixthuluh

Auf diese CD wurde lange gewartet. Immerhin ist Filippo Naughty Moscatello ja nicht irgendein DeeJay Gigolo. Immerhin waren bisherige Tracks wie »Gigolo Style« und »All The Boys Look Superchic« oder »Final Signal« sofort zündende Dancefloor-Burner (ganz abgesehen von seiner Mitarbeit an DJ Hells »Munich Machine«-CD). Auf »Disco Volante« kommt jedoch Electro-Sleaze fast gar nicht mehr vor. Dafür werden hier House & Disco als Soul in einer Intensität und Intimität gelesen, die jenseits von Amerikanien wohl ihresgleichen sucht. Heißt auch jede Menge himmlisch erotifizierte Vocal-Tracks sowie eine knapp über 10 Minuten lang auf die ekstatische Befreiung hinsteuernde Gospel-House-Nummer (»Open Up«)! Überhaupt wird hier vor allem eines klar gemacht: Wenn die alte Losung Jazz als Lehrer und Funk als Priester zu verstehen wirklich kapiert wird, dann kann sich das diverse Freidenkertum dazwischen (fast) alles erlauben.

Various Artists

Darker Than Blue: Soul From

Jamdown 1973 - 1980

Blood & Fire/Ixthuluh

Für all jene, denen der Soul Jazz-Sampler »Studio One Soul« mit seinen jamaikanischen Reggae-Covern von Sixties-Soul noch himmlisch in den Ohren klingt, gibt es nun den wohlverdienten Nachschlag. Mit »Darker Than Blue« kommt nämlich die Nachfolgelieferung in Sachen Soul- & Funk mixed in Jamaica. Wobei »Darker Than Blue« sogar um einiges noch »politischer« gewichtet ist (siehe auch jenes Foto im Booklet von einer 1976er Demonstration mit Transparenten wie »Jamaica Forward - Cuba Forever«!) und dementsprechend härtere Funkwuchteln auffährt. Jedoch faszinieren auch hier vor allem der Grade der jeweiligen Um- bzw. Neuinterpretationen. Das ist nicht einfach Soul/Funk mit Reggae-Beats als Fahrgestell. Hier geht es um mehr. Und dieses »Mehr« dringt dann auch in alle Schichten eines Songs ein. Was wieder mal besonders bei Curtis Mayfield-Nummern (egal ob diese nun explizit oder implizit »politisch« sind) wie »Gypsy Woman«, »Super Soul«/»Give Me Your Love« und »Darker Than Blue« ganz deutlich zu Tage tritt. Zudem zeigt dieser Sampler auch, dass es neben den Rastas in Jamaika sehr wohl ebenso einen »linken« Widerstand gegen Babylon gegeben hat.

Various Artists

Saturday Night Fish Fry

Soul Jazz/Hoanzl

Schon der ersten Bassdrum-Kick und der darauffolgende, kurz verzögerte Peitschenschlag auf die Snaredrum bei »Roger And The Gypsies« »Pass The Hatchet« macht klar, dass auch der zweite »New Orleans Funk«-Sampler einen Griff in die Goldgrube schärfster Funk-Tracks aus der Cypress City darstellt. Zudem gibt es diesmal auch Nummern, die selbst New Orleans-Muffel kennen dürften. Die Anwesenheit von (Pop/Soul-)Acts wie Dixie Cups (»Iko Iko«), Irma Thomas (»Don't Mess With My Man« sowie der Extremgänsehaut-Torchsong »Ruler Of My Heart«), Lee Dorsey (»Give It Up«), Huey Piano Smith (»Little Liza Jane«) oder Dr. John (»Gris Gris Gumbo Ya Ya«) gehört zu dieser umfassenden Dokumentation aber ebenso wie superrare Funk-Singles, die es in den 70ern wohl nie über die Stadtgrenzen hinaus geschafft haben dürften. Bzw. es gleich gar nicht wollten. Vielleicht klingen gerade auch deshalb jene »Saturday Night Fish Fry«-Acts, die es nur zu einer Single in Minimalstauflage bei einem lokalen Kleinstlabel geschafft haben so tight, ultrafunky und »exotisch«.