november 2001

Doc Holliday

Die Twin Tower des Polizeistaats: Terror und Überwachung

Die Anschläge vom 11. September in New York und Washington zeitigten unmittelbare Folgen, die eher in die Welt der Psychopathologie gehören: Paranoia und Hysterie. Um „das Böse“ (George W. Bush) effizienter verfolgen zu können, fordern in nahezu allen westlichen Demokratien die maßgeblichen Innen- und Justizpolitiker sowie Polizei- und Geheimdienstvertreter umfassendere Befugnisse zur lückenlosen Überwachung der Bürger. Der Aufrüstung (in Österreich etwa die Entscheidung über den Neuankauf von Abfangjägern) und dem militärischen Muskelspiel nach außen entspricht die Repression nach innen.

Law&Order-Politiker versuchen aus den Terrortoten politisches Kapital zu schlagen. Wie sonst sollen die Ideen des Herrn Ingenieur Westenthaler bezeichnet werden, der allen Ernstes vorgeschlagen hat, ein neues Identifikationssystem einzuführen, bei dem allen BürgerInnen Fingerabdrücke abgenommen werden sollen. Mit der verwegenen Begründung, dies diene einerseits dem „Selbstschutz der Bevölkerung“, andererseits sei es „ein Kampfmittel gegen organisierte Kriminalität und Terrorismus“. Dass die Attentäter vom 11. 9. trotzdem durch alle Kontrollen geschlüpft wären, scheint Blockwarte nicht weiter zu kümmern.

Zum Arsenal, mit dem der Fetisch »Innere Sicherheit« die Grundrechte und die persönliche Privatsphäre in diesen Wochen immer mehr einschränkt, gehören: Globale Ausweispflicht (mit Speicherung von DNA-Informationen), flächendeckende Rasterfahndung, Einschränkung des Datenschutzes. So will das FBI eine staatliche Regulierung kryptographischer Systeme, also die Möglichkeit jederzeit Verschlüsselungscodes zu knacken.

In Österreich beschloss unmittelbar nach den Anschlägen der Ministerrat die Festschreibung von Lauschangriff und Rasterfahndung in der Strafprozessnovelle 2001. Zudem sprach sich Herwig Haidinger, Leiter der Kriminalpolizei, Anfang Oktober im APA-Interview für die Ausweitung der Überwachung aus: Nicht nur Handys, sondern auch E-Mails sollen zukünftig vom Großen Bruder mitverfolgt werden können. Eine entsprechende gesetzliche Regelung in der »Telekommunikation-Überwachungsverordnung (ÜVO)« lässt aber noch auf sich warten. Der Streit mit den Betreiberfirmen um die enormen Kosten verzögert die Gespräche. Derweil rechnet der Datenschützer Hans Zeger (ARGE Daten) auch ohne Einführung der neuen ÜVO mit einem neuen Überwachungsrekord: Gegenüber 1479 überwachten Anschlüssen im Jahr 2000 wird heuer bei weit über 2000 Telefonanschlüssen mitgelauscht werden.