september-oktober 2001

Gert Kerschbaumer
gelesen

Margit Reiter:

Unter Antisemitismus-Verdacht. Die österreichische Linke und Israel nach der Shoah

Im bildhübschen Salzburg erlebte Theodor Herzl glückliche Stunden. Hier hätte er als Jude aber nie Karriere gemacht – anno 1885. Bloß an sein Glück erinnert die jüngst enthüllte Gedenktafel. Verhüllt bleibt der Rassismus. Aus dieser Erfahrung kommt aber Herzls Vision: »Der Judenstaat« – ebenso unzitiert, ein Reizwort offenbar, was bedeutet: Jahrzehnte nach der Shoah ist der Hass noch wirksam, und überdies der linke Antizionismus. Ist dieser auch antisemitisch, oder werden Antifaschisten bloß diffamiert? Die Antwort macht sich die Zeithistorikerin Margit Reiter nicht leicht. In ihrem Buch analysiert sie sehr differenziert die Israel-Kritik und Palästinenser-Solidarität der KPÖ und SPÖ, der alten wie der neuen Linken. Beginnt deren Antisemitismus erst mit dem Propagieren der Israel-Zerstörung oder schon mit dem Vertuschen der arabischen Bedrohung, oder steckt er bereits in der Gleichsetzung von Faschismus und Zionismus/Israel (= Rassismus)? Da war jedenfalls die Palästinenser-Verfolgung das Generalthema und die Shoah nur ein Randzeichen im plakativen Faschismus-Bild. So realitätsfern scheint auch jene Gemeinschaft sozialistischer Christen gewesen zu sein, als sie 1982 zum Boykott israelischer Waren aufrief. Das nutzte der Rassist: „Kauft nicht bei Juden“, und bei Schoeps detonierte eine Bombe. Nun aber - im späten Reflexionsprozess – rückt Österreich als Täterland ins Blickfeld und da knallen patriotische Watschen: Der letzte Antifaschist wäre der gleiche Hasser oder Selbsthasser wie der alte Faschist. Schon wieder die alte Leier!