september-oktober 2001

Micky Kaltenstein

„...noch nirgends so herzlich aufgenommen worden.“

Die Halleiner »Zone 11« geht in ihr viertes Jahr

Besuch bei den Asozialen. Den Drogensüchtigen und Arbeitsscheuen. Besuch im Jugend- und Kulturzentrum Zone 11 in Hallein. „Das sind die Vorurteile gegen die Zone“, erzählt Jakob. Er selbst hatte sie anfangs auch. Und seine Eltern haben sie noch immer. Sie sehen es nicht gern, wenn er in „der Zone“ ist. Werfen ihm vor, er hätte sich verändert. „Klar hab ich mich verändert“, meint der 18-Jährige, „ich bin viel toleranter und offener geworden“.

Die Zone 11 ist kein »herkömmliches« Jugendzentrum, sie ist ein Labor. Dort bekommen Ideen eine Chance und Konzerte einen Raum. In der Werkstätte, den Proberäumen, am digitalen Videoschnittplatz oder im Café treffen junge Menschen aufeinander, die sich im Alltag vielleicht gar nicht beachtet hätten. Hier hören sie sich zu und verändern ihren Standpunkt. So wie Jakob. Oder Ümit (19). »Ü« war vorher „in einer anderen Clique“, hat den ganzen Tag Radau gemacht und Leute belästigt. „Ich war früher richtig aggressiv, aber hier ändert man sich ganz automatisch. In diesem Haus ist es wurscht, wer du bist, woher du kommst und welche Religion du hast“, schwärmt Ümit. In den Augen seiner Eltern vernachlässigt er die türkische Kultur und ist zum Hippie geworden. Als sie ihn deshalb rausgeschmissen haben, waren die Leute von der Zone für ihn da.

Esther raucht nicht. Ein entsetztes „Was?!“ ist die gewohnte Reaktion auf ihr ‚seltsames Verhalten‘. Hier hat sie bisher nur ein „Ach so“ gehört, Thema beendet. Ihrer Mutter ist es lieber, wenn Esther in der Zone ist, als in irgendeiner Bar in Salzburg. „Dann will sie auch gar nicht wissen, wann ich zurück bin“, berichtet die 16-Jährige. Für Anna (18) ist dieses Zentrum ein Platz, wo sie kreativ sein kann und ihre Ideen ausleben. „Ich bin noch nirgends so herzlich aufgenommen worden. Und einmal hat mir die Zone über einen irrsinnig miesen Punkt hinweg geholfen“, erinnert sie sich. Ihre Neurodermitis war so stark, dass sie nicht mehr in die Schule gehen wollte. Kein Selbstvertrauen mehr. In der Zone drückt ihr jemand eine Kamera in die Hand und schickt sie zum Fotografieren. Du darfst dich nicht so hängen lassen, sagen ihre Zone-Freunde und Anna geht los. Das ist es, was sie so mag. Dass eine Reaktion kommt auf das, was man macht. Ehrliche Antworten statt höflicher Watteworte. Jetzt ist ihre Haut wieder gesund und Anna überlegt, ob sie beruflich etwas mit Fotografie machen will.

„Der Drax ist Urgestein, das ist der Papi von der Zone“, erzählt Pauli (20). Ge-meint ist der Geschäftsführer, Wolfgang Drechsler. Er ist das Bindeglied nach draußen, zu den Geldgebern, der Politik, den Anrainern. »Drax« sieht sich nicht als Freizeitpädagoge, der die Jugendlichen irgendwie beschäftigt. Er sorgt »nur« für den Rahmen, die Ressourcen. „Was innerhalb dieses Rahmens passiert, bestimmen die Leute selbst. Wir sind ja nur zu zweit, würden nicht alle so mitmachen, tät’ der Laden nicht laufen.“ Jeder hilft mit. Beim Aufräumen und Putzen, beim Aufbau für die Veranstaltungen oder in der Bar. Jener Zweite, Didi Neidhart, kennt die Zone von Anfang an und dass sie seit April zu seinem Beruf geworden ist, hält er für „das Schönste, was mir passieren konnte“. Der Kontakt zu den Jugendlichen läuft vor allem über die Musik und „Fragen darf man halt nicht wie ein Lehrer beantworten“, erzählt der Musikjournalist. Er ist Chefredakteur des hauseigenen Jugendmagazins Subzoner. Fünfmal im Jahr erscheint das engagierte Druckwerk und die Themen darin bestimmen die jungen Zone-Autoren selbst.

Didi und Drax sind beide fast 40 und genießen eine Akzeptanz, die viele Eltern umsonst erzwingen wollen: „Das sind keine Sozialarbeiter, sondern Freunde von uns“, meint Pauli und die anderen nicken. „Die zwei können so perfekt auf jeden Menschen eingehen“, ergänzt Jakob. Anfang Oktober steigt das Fest zum dritten Geburtstag der Zone 11. Wenn alles klappt, geht auch der Wunsch nach einer Mitarbeiterin in Erfüllung. Die fehlt einfach. Und zwar nicht nur den Mädchen.