september-oktober 2001

Thomas Neuhold
titel

Wer, wenn nicht die ARGE Kulturgelände Nonntal?

Rechter Sturmlauf gegen die ARGE Kulturgelände Nonntal – 20 Jahre ARGE: Anmerkungen zu einem Dauerkonflikt.

Betrachtet man/frau die Zahl der Unterstellungen und Diffamierungen, denen die ARGE Kulturgelände Nonntal (vormals ARGE Rainberg) in den vergangenen 20 Jahren ausgesetzt war, bleibt nur ein Schluss: Das größte autonome Kulturzentrum außerhalb Wiens ist tatsächlich ein eiternder Stachel im Fleisch der „geistigen Trachtenträger“ (© Hans Rauscher - »Der Standard«). Wie sonst wäre es zu erklären, dass trotz wiederholter, eindeutiger Dementis von Exekutive oder Rechnungshof immer wieder dieselben Schmutzkübel über der ARGE ausgegossen werden.

Drei Beispiele (von vielen): Nach dem missglückten Anschlag von Ebergassing, fand sich die ARGE plötzlich im terroristischen Eck. Steuergeld wird im Nonntal anscheinend grundsätzlich nur missbräuchlich verwendet, so die permanente Unterstellung trotz gegenteiliger Erkenntnisse der diversen Prüfinstanzen von Land und Stadt. Und zuletzt beim Weltwirtschaftsforum (WEF) in Salzburg sei die ARGE laut kleinformatiger Zeitung und kleinformatiger Partei Hort der Gewalt gewesen. (Lassen wir hier einmal so Fragen beiseite wie: ob nicht jede Bierzeltrauferei gewalttätiger endet, als die Salzburger Demo zum WEF-Gipfel; ob nicht die Enteignung des öffentlichen Raumes durch bis auf die Zähne bewaffnete Uniformierte zum Schutz des Privatvereines WEF auch eine Form der Gewalt ist; ob nicht - angesichts tausender Kinder, die tagtäglich jämmerlich an Hunger verrecken - die wahre Gewalt vom enthemmten Markt ausgeht?)

Das Volk abwählen

Warum der permanente Sturmlauf gegen eine Kultureinrichtung? Dass die ARGE für Figuren der Marke Hans Peter Hasenöhrl (Krone Lokalchef) oder Andreas Schöppl (FP-Landesparteisekretär) das sprichwörtliche »rote Tuch« darstellt, liegt gewissermaßen in der Natur der Dinge: Die äußerste Rechte und moderne, progressive Kunst und Kultur sind so etwas wie natürliche Fressfeinde. Wer vor lauter Brettern nicht einmal mehr den Tellerrand sieht, dem ist alles suspekt, was er nicht versteht, was nur irgendwie nach Vielfalt riecht. Und gerade für diese Buntheit steht die ARGE quer durch alle im Nonntal vertretenen Sparten und Genres wie kaum ein anderer Kulturverein an der Salzach.

Im Kern geht es hier um den Dauerkonflikt humanistischer Kultur- und damit Lebensentwürfe versus autoritärer und uniformer Ideologien mit ihrem auf Reproduktion des Schönen, Heimatdichtung und Bierzelt reduzierten Kultur- und Kunstverständnis. Oder anders formuliert: Auch ohne es explizit so zu benennen, wird in der ARGE (und natürlich auch in vielen anderen fortschrittlichen Kultureinrichtungen) quasi automatisch gegen rechts musiziert, getanzt, gemalt oder Theater gespielt; egal ob die Trommler im Studio üben oder Demonstrationen begleiten. (Der Konflikt ist, historisch betrachtet, nichts Neues.

Ohne hier überhebliche Vergleiche ziehen zu wollen: Viele jener, die heute zu Picasso in die Museen pilgern, hätten einst den kommunistischen Maler heftig bekämpft. Ähnliches gilt für Ingeborg Bachmann, die sich wohl sehr gefreut hätte, ihre dem Menschen zumutbare Wahrheit ausgerechnet auf einem FPÖ-Plakat wiederzufinden. Und es gilt natürlich auch für den gerade in Salzburg einst so geschmähten Bert Brecht, dessen Empfehlung, die Regierenden mögen das Volk abschaffen und sich ein neues wählen, nach Genua übrigens wieder bestürzende Aktualität erfährt.)

Konfliktfeld Gesellschaftspolitik

Auffallend an der Auseinandersetzung zwischen Kleingeistigkeit und offenem Kulturverständnis ist, dass die Bruchlinien hierzulande beinahe ausschließlich (anders in der BRD oder in Frankreich) anhand gesellschaftspolitischer Themen sichtbar werden.

Das hat vorerst einmal einen sehr banalen Grund: Eine Diskussion über künstlerische und kulturelle Inhalte würde schlicht am intellektuellen Unvermögen der Die-Hand-die-euch-füttert-Krakeeler aus Politik und Medien scheitern. (Das liberale Bürgertum, mit dem sich eine derartige Auseinandersetzung lohnen würde, fehlt hierzulande beinahe zur Gänze.)

Intellektuelles Unvermögen ist aber nur ein Grund, warum der Kulturkampf überwiegend tagespolitisch geführt wird. Intellektuelle im Allgemeinen und KünstlerInnen im Besonderen sind immer so etwas wie die Seismographen gesellschaftlicher Entwicklung gewesen. Sie spüren früher als andere, wohin sich eine Gesellschaft entwickelt und machen im Medienzeitalter ihre Eindrücke und Haltungen auch rasch öffentlich. Im Fall Österreich haben die MahnerInnen recht behalten.

Jüngste Beispiele - etwa das von der FPÖ geforderte Mandatsverbot für GewerkschafterInnen (Dollfuß und Pinochet lassen grüßen) oder die ökonomische Gängelung der letzten halbwegs unabhängigen Zeitungen - bestätigen eindrucksvoll alle Warnungen vor der autoritären Dritten Republik.

(Fast schon ein Treppenwitz dabei ist, dass die äußerste Rechte Gefahr läuft, ohne sich dessen bewusst zu sein, das Geschäft der Linken zu besorgen. Die von den Freiheitlichen betriebene Demontage der Sozialpartnerschaft etwa ist ein altes Anliegen linker GewerkschafterInnen, die mittelfristig auf eine Renaissance des Klassenkampfes hoffen. Angesichts der tiefen Spaltung und der Brutalisierung des öffentlichen Lebens Österreichs könnten sie sogar recht behalten. Gerade die Wirtschaftsvertreter in der ÖVP wissen um die Gefahr, haben aber offensichtlich kein Mittel in der Hand den Amoklauf zu stoppen.)

Der notwendige Neid

Bei der Frage nach den Ursachen des Dauerkonfliktes zwischen progressiven Kultureinrichtungen und den »Schlechtmenschen« (sprachlogisches Gegenteil der verächtlich als »Gutmenschen« abqualifizierten Demokraten) darf schließlich die psychologische Komponente nicht vergessen werden. Während im ARGE-Beisl selbst deklarierte freiheitliche Parteigänger als Gäste toleriert werden (bei Bedarf sagen wie Ihnen auch wer, Herr Schöppl), brauchen die Kleinformatigen ihre Feindbilder wie einen Bissen Brot. Diese sind nicht nur zur Mobilisierung von Neidgefühlen und Hass beim dumpfen, rechten Mob notwendig. Die Feindbilder dienen, kurz gefasst, auch dem eigenen Selbstwertgefühl. Wodurch sonst könnten Schnell & Co. vor sich selbst ihre politische Existenz rechtfertigen?

Die ARGE Nonntal würde also wohl auch attackiert, wenn ihre VertreterInnen ihre kritischen Stimmen nicht erheben würden. Gut möglich, dass die ARGE eines Tages k.o. geht und von der Bildfläche verschwindet. Es entspricht der psychologischen wie auch politischen Notwendigkeit kleinformatiger Medien, Parteien und Menschen, sofort einen Ersatzfeind zur äußeren und inneren Mobilisierung zu suchen – im Kulturbereich wie anderswo.