september-oktober 2001

Doc Holliday
grausame orte

Gipfel der Frechheit

Die Herren des Universums, die Staatspräsidenten und Wirtschaftskapitäne, zelebrierten Anfang Juli ihr Hochamt beim Gipfeltreffen des World Economic Forum (WEF) in Salzburg. Seit den Protestkundgebungen von Seattle wissen die Mächtigen, dass überall dort, wo die Marktglobalisierung verhandelt wird, auch mit Ruhestörungen zu rechnen ist. Aber auf die österreichischen Politiker können sich die Weltenlenker verlassen. Wie üblich setzte die Staatsmacht auf eine Militärstrategie. 3000 bis 4000 Exekutivbeamte aus ganz Österreich verwandelten die Festungsstadt beim größten Polizeieinsatz seit 1945 in eine richtige Festung mit hermetisch abgeriegelter Hochsicherheitszone. Hubschraubereinsätze sorgten zusätzlich für Bürgerkriegsstimmung.

Bei »Verdacht« half kein Ausweis, kein guter, nachprüfbarer Grund, um in den Sperrbezirk »einzudringen«. Das traf auch »brave Bürger«. So am Tag vor der Kongresseröffnung einen Juwelier, der nach 17 Uhr noch in seinen Laden am Mirabellplatz musste. Fehlanzeige, stattdessen rüde Worte: „Des kann jeder sagen“ bis zum eindeutigen „Schleich di!“. Bereits in der Woche vor dem WEF-Spektakel jammerten Ladenbesitzer und Verkäufer am Bahnhof, dass die massive Polizeipräsenz geschäftsstörend sei: „Die vertreiben uns alle Kunden“. Die Beschwerden über staatliche Drohgebärden und Willkürmaßnahmen - Platzverbote, Perlustrierungen, Ignorieren von Presseausweisen, Touristen, die grundlos aus Bussen geholt wurden - sind keine Einzelfälle. Die Arroganz ist der gemeinsame Nenner zwischen Herr und Kampfhund.

Das unausweichliche Ritual dieser Gipfeltreffen führt zumeist zum Zusammenprall mit der Staatsgewalt im martialischen Robocop-Outfit. Provokationen (von welcher Seite auch immer) und das Einfordern demokratischer Rechte wie der Demonstrationsfreiheit ließen am 1. Juli auch in Salzburg die Lage kurzfristig eskalieren. Den Polizeikessel im Andräviertel hatten die Verantwortlichen bitter nötig. Zu groß wären Blamage und Erklärungsbedarf gewesen, wenn sich der ganze Aufwand (Kosten des Polizeieinsatzes: 80 Millionen Schilling) – wie weiland bei den virtuellen Chaostagen – als völlig unnötig herausgestellt hätte. Nützlicher ist es einige friedliche Demonstranten in Gewalttäter umzustilisieren, die Hysterie der Klein- und Lokalformate zu befriedigen und die politischen Anliegen der Anti-WEFler zu »neutralisieren«. Auch so funktioniert Manipulation.