sommer 2001

Didi Neidhart
gehört

Jan Delay

JAN DELAY

Searching For The Jan Soul Rebels

Buback/Groove Attack

Wie radikal, wie politisch kann »Pop«-Musik heutzutage noch sein? Scheinen doch im Zeitalter des »Mainstreams der Minderheiten« und einer alles, aber auch wirklich alles in sich aufsaugenden Spaßkultur Begriffe wie »Revolution« höchstens noch funkelnagelneuen Nassrasierermodellen gerecht zu werden. Jan Eißfeldt, der als eines der rappenden Sprachrohre der Absoluten Beginner anfing, macht sich jedenfalls darüber Gedanken und legt unter dem Pseudonym Jan Delay die wahrscheinlich radikalste und auch kontroverseste CD zum Thema „Wie politisch kann Popmusik heutzutage noch sein?“ vor. Dabei verzichtet er bewusst auf HipHop (zu sehr – besonders in Deutschland – sozusagen schon vom System aufgekauft) und kontert stattdessen mit Dub und Reggae – was nebenbei gesagt auch die bisher beste und schönste Reggae-Veröffentlichung ever aus Deutschland mit einschliesst. Jedenfalls geht es nicht nur gegen »Sonnenbank-Funk«, »Talkshow-Soul«, »Kaufhaus-Punk« und »Sunshine-Reggae« (kongenial von Gast-Sprecher Rocko Schamoni persifliert). Wenn Jan Delay singt „Ich möchte mich nicht in Köpfen befinden, zusammen mit Gedanken, die unter Einfluss vom Axel Springer-Verlag entstanden!“ (aus „Ich möchte nicht, dass ihr meine Lieder singt!“ – im grenzgenialen Video dazu mogelt sich Jan Delay übrigens als plastikmaschinengewehrbewaffneter PLO-Kämpfer in Kölner Karnevals-Umzüge rein), dann ist das ein so konkret wie selten gewordenes klares Statement, ohne jegliche, nostalgisch verbrämte Revoluzzer-Romantik (siehe bzw. höre auch »www.hitler.de«). Viel eher geht

es um ein Wiederentdecken

möglicher Positionen. Auch wenn diese widersprüchlich sind oder von manchen sogar als Aufforderungen zu Gewalttaten angesehen werden. Etwa die Lyrics zu »Söhne Stammheims« (“Nun kämpfen die Menschen nur noch für Hunde und Benzin, folgen Jürgen und Zlatko und nicht mehr Baader und Ensslin, die die Unheil und Armut und Krankheit verbreiten, für sie herrschen sorglose Zeiten, da kein bisschen Sprengstoff sie daran hindert, ihre Geschäfte zu betreiben.“). Das hat mit Radical Chic genauso wenig zu tun wie das Duett mit Superstar Xavier Naidoo eine berechnete Angelegenheit ist. Treffen sich hier doch zwei durchaus grundverschiedene Künstler unter dem gemeinsamen Banner von Soul & Reggae, um einen gleichermaßen politischen wie spirituellen Gegenentwurf zum allgegenwärtigen „Babylon“ zu entwerfen. So was kann man auch starke Koalition nennen. Jedenfalls die derzeit besten Klartexte für das »Big Brother«- und »Taxi Orange«-Zeitalter!