sommer 2001

Doc Holliday

Artgerechte Bewegung

Der Turnerbund marschiert in Salzburg auf

Vom 9. bis zum 14. Juli ist Salzburg Schauplatz des 10. ÖTB-Bundesturnfestes. Diese vom etwa 70.000 Mitglieder zählenden Österreichischen Turnerbund (ÖTB) alle zwei Jahre organisierte Großveranstaltung verbindet Leibesübungen und die Kultur in altbewährter Weise. Ein gesunder Geist wohnt (mitunter) in einem gesunden Körper. So heil und pumperlgsund nimmt sich das Kulturprogramm aus: Bodenständige Brauchtumsabende, Turnermusik, Sangeswettbewerbe oder Volkstanzen anstatt des kranken Kulturbolschewismus oder der unartigen Negermusik.

Die Verschränkung von Körper- und Biederkultur liegt im Charakter des ÖTB begründet. Der beruft sich in Theorie und Praxis auf Friedrich Ludwig Jahn und sieht sich selbst nicht als reine Sportorganisation, sondern postuliert einen „Erziehungs- und Bildungsanspruch eines nationalbewussten völkischen Vereines“, so der ehemalige Bundesoberturnwart Pfannhauser im Geleitwort seiner Eckartschrift »Unser Turnen«. Um das Wirken des ÖTB richtig zu verstehen, muss das Gedankengut des »Turnvaters« Jahn einer kritischen Analyse unterzogen werden. In seinem Hauptwerk »Deutsches Volkstum« (1810) finden sich viele Elemente des Rechtsextremismus: Die Notwendigkeit der Deutschen Volksgemeinschaft, die Beschwörung der Gefahr durch Rassenvermischung, den Anspruch der Deutschen auf Weltherrschaft, das Übel der Ausländer, die zersetzende Wirkung von Fremdsprachen und eine klare Position für die Frauen - als brave Gebärmaschinen dem Mann zu dienen. Nicht vergessen darf man auch den Antiklerikalismus und den Antisemitismus in Jahns Schriften. Dem somit die zweifelhafte Ehre zukommt alle rechtsextremen Strömungen vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart mit ideologischer Munition beliefert zu haben. Als wäre das noch nicht genug des Schlechten hat der Deutsche Vorturner weiland zu Jena die Urburschenschaft gegründet, beim Wartburgfest 1817 die erste Bücherverbrennung durchgeführt und einen Prototyp des Hakenkreuzes erfunden. Die vier »f«, auch Turnerkreuz genannt, ergeben nicht nur die Anfangsbuchstaben der Turnerlosung „frisch, frei, fröhlich, fromm“, sondern weisen eine frappante Ähnlichkeit mit dem Hakenkreuz auf. Das aber stört den ÖTB nicht. Die Symbole prangen weiterhin an verschiedenen Gebäuden der Recken. Etwa in Ried im Innkreis oder an der Salzburger Jahnturnhalle beim Mozartsteg. Dort findet sich auch noch immer eine Tafel mit der Inschrift „Ihre Ehre hieß Treue - Für deutsches Volk und Vaterland“. Seit sich aber niemand mehr an den alten SS-Leitspruch erinnern will, bleibt diese dreiste Traditionspflege von einem Plakat verdeckt (Der kf berichtete).

Die Sozialistische Jugend Salzburgs versuchte in den letzten Jahren mehrfach auf die dubiose Haltung des ÖTB und die des lokalen Gaustatthalters, dem Salzburger Turnverein (STV), aufmerksam zu machen. Mit dem Ergebnis, dass der ÖTB die Jusos vor den Kadi zitierte und zu keiner Distanzierung von den belasteten Symbolen bereit war.

Eine ausführliche Studie von Andreas P. Pittler (im »Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus«) qualifiziert den ÖTB als „eine der großen, etablierten Organisationen des österreichischen Rechtsextremismus“. Nicht alle seiner Mitglieder freilich sind am ideologischen Brimborium interessiert. Manche wollen sicherlich nur Turnen. Die Tatsache, dass der ÖTB 1981 wegen „nationalsozialistischer“ Tendenz verurteilt worden war, wird von den Funktionärskadern (auf treudeutsch »Dietwarte«) den eigenen Mitgliedern verschwiegen. Das oberste Gebot auf dem (ideologischen) Schlachtfeld heißt seit jeher tarnen und täuschen.