sommer 2001

Jan Carlsen
titel

Ökonomischer Egoismus findet politische Akzeptanz

Italien bleibt auch nach dem Wahlsieg des »Casa delle Liberta« demokratischer als Österreich.

Da hat sie sich gefreut die Frau Europaabgeordnete: Silvio Berlusconi sei der »neue Cäsar« Italiens, posaunte Ursula Stenzel nach dem Wahlsieg des Medienzaren hinaus. Die ÖVP-Frau ist mindestens so reaktionär, wie sie bei öffentlichen Auftritten in schöner Regelmäßigkeit den Eindruck erweckt, gehörig einen getankt zu haben. Egal, es tut ohnehin nichts zur Sache, ob sie diesen Cäsaren-Schwachsinn nüchtern oder angedusselt verzapft.

Die Erleichterung der Rechtsaußenregierung in Wien über den Sieg des Bündnisses aus Neofaschisten, Lega Nord und Berlusconis Forza in Rom ist verständlich: Denn auch nach dem Ende der von der österreichischen Propagandamaschine zu »Sanktionen« hochstilisierten diplomatischen Maßnahmen blieb Blau-Schwarz in den zivilisierten Demokratien weitgehend isoliert. Mit Berlusconi, der von vielen EU-Partnern ebenfalls mißtrauisch beäugt wird, hofft man auf der Eselsbank nicht mehr so allein zu sein.

Die Rechnung wird nicht aufgehen, denn die Europäer sind nicht so blöd, wie das die Herrschaften am Ballhausplatz annehmen. Es gibt ein Reihe gute Gründe, warum man zwischen Wien und Rom differenzieren wird. Die drei Wichtigsten:

Zum Ersten ist Italien EU-Gründungsmitglied und ökonomisch wesentlich potenter als die Alpenrepublik. (Hierzulande wird gerne vergessen, dass beispielsweise die Emilia Romagna die reichste Region der EU ist.)

Zum Zweiten haben die italienischen Rechten – von Umberto Bossis Lega abgesehen; die hat aber eine vernichtende Niederlage eingefahren. – nie derart antieuropäische Töne gespuckt wie Jörg Haider und seine Kumpanen.

Und zum Dritten wird Italien jetzt zwar von sehr weit rechts regiert, aber der Stiefel hat nicht als gesamtes eine derartig rechte Schieflage wie Österreich. Deutlichstes Zeichen dafür ist das respektable Abschneiden der Rifondazione Comunista, die fünf Prozent erreicht hat. Zudem hat Italien eine funktionierende Gewerkschaft und nicht wie Österreich nur eine sozialdemokratisch verwässerte Interessensvertretung, die selbst bei den schwersten Angriffen auf die von ihnen zu Vertretenden den Golfschläger nicht aus der Hand legt.

Bleibt die Frage nach der Medienpolitik. Zu Recht wird in Europa wie auch hierzulande immer beklagt, dass in der Person des Multimilliardärs ökonomische, mediale, politische und nationale Interessen vermengt sind. Und obwohl dieses Wahlergebnis in Zeiten des Neoliberalismus nur konsequent ist, hat doch endlich der ökonomische Egoismus auch politische Akzeptanz gefunden, dürfen sich die Österreicher nur vorsichtig aufregen, sitzen sie doch selbst im konzentrierten Medienglashaus der Extraklasse: Blau-Schwarzer Politfunk und der Krokuwaz-Mediaprint-Formil-Moloch brauchen sich selbst vor Berlusconis Imperium nicht verstecken. Einziger Unterschied: Österreichs heimlicher Regierungschef aus Kärnten ist nicht Eigentümer der »Kronen Zeitung«.

Südtirol

Aber auch in einem anderen Punkt haben sich Österreichs Rechte wohl zu früh gefreut. Gerade ÖVP und FPÖ fühlten sich immer als »Schutzmacht« der deutschsprachigen Minderheit Italiens. Peinlich nur, dass die Schwesterpartei Südtiroler Volkspartei (SVP) nicht mit den neuen Freunden Wolfgang Schüssels in Rom mitkandidiert hat sonder lieber ein Wahlbündnis mit der Mitte-Links-Allianz »Ulivo« eingegangen ist. (Nur nebenbei: Ein deutlicheres Zeichen wie weit rechts die ÖVP im europäischen Vergleich gerückt ist, gibt es wohl kaum.) Die SVP weiß genau, dass sich die Linke in Italien immer autonomiefreundlicher verhalten hat als die Rechte – insbesonders die Neofaschisten. Wird spannend, auf welches Pferd die ÖVP setzt: Rom oder Bozen?