sommer 2001

Doc Holliday
leitartikel

Alles Globalisierung oder was?

Zu Bedeutung und Mythos eines missverständlichen Begriffs

In den gegenwärtig allerorten geführten Diskussionen um den Zustand der Weltwirtschaft wird kein Wort häufiger gebraucht als das der Globalisierung. Damit läuft es Gefahr in den zweifelhaften Rang eines Modebegriffs mit null oder wenig Aussagewert vom Kaliber des dubiosen „Ende der Geschichte“ hinabzusteigen. Eines Schlagwortes mithin, dessen inflationärer Gebrauch nicht zuletzt einer Verschleierung der wirklich ablaufenden Prozesse dient. Damit soll die Offensive des Kapitals verhüllt werden, in der es Schranken für seinen weltweiten Reproduktionsprozess niederreißen und seine unumschränkte Herrschaft erweitern möchte.

Im Gegensatz dazu läuft die bürgerliche Globalisierungsdebatte im Kern auf den Gedanken eines unvermeidlichen, mehr oder weniger homogenen globalen Kapitalismus hinaus. Wissenschaft und Technologie werden in diesem Hirngespinst zu global nivellierenden Kräften stilisiert. Die neoliberale Theorie versucht uns glauben zu machen, dass alle von dieser Entwicklung profitieren. Eine derartige gleichermaßen esoterische wie affirmative Theorie eines „globalen Weltdorfs“ verschleiert die wirklichen Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse. In Wahrheit beseitigt eine Universalisierung der kapitalistischen Produktionsweise keineswegs die Tendenz des Kapitalismus zur ungleichmäßigen Entwicklung, sondern verschärft diese noch auf extreme Weise. Etliche marxistische Wirtschaftswissenschafter verwenden deshalb lieber den Terminus „Transnationalisierung“. Die Grundlagen wurden zwar schon nach dem Zweiten Weltkrieg gelegt, zum Durchbruch gelangte der transnationale Kapitalismus aber erst in den 70er Jahren als der Keynesianismus vom Neoliberalismus als herrschende Wirtschaftsdoktrin abgelöst wurde. Die Zahl der transnationalen Monopole wuchs von 7000 in den 60ern auf 37.000 im Jahr 1997. Eine neue Runde dieser Entwicklung ist mit dem Zusammenbruch des osteuropäischen Staatssozialismus eingeläutet worden. Das Ende ist leider noch nicht in Sicht.