sommer 2001

Doc Holliday
titel

Geld oder Leben

Strategien gegen den Marktwirtschaftsterror? Am Beispiel der ATTAC-Gruppe

Vom 1. bis zum 3. Juli wird Salzburg die Kulisse für ein Spektakel der aufreizenden Art abgeben. Rund 1000 der mächtigsten Männer Europas sind zum European Economic Summit 2001 des World Economic Forum (WEF) in die Mozartstadt geladen, um hinter den gut verschlossenen und bewachten Türen des neuen Kongresszentrums vornehmlich über die EU-Osterweiterung und die Migrationsbewegungen zu beraten. Auf der hochkarätigen Gästeliste finden sich etwa Staats- und Regierungschefs wie Schröder, Blair, Putin oder Aznar.

Zahlreiche internationale Organisationen sind seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, insbesondere aber in der letzten Dekade damit beschäftigt, eine spezifische Form der Globalisierung zu propagieren und teilweise zu organisieren. Der Internationale Währungsfonds (IWF), die Weltbank oder die Welthandelsorganisation (WTO) schaffen den eigentlichen Rahmen für eine neue Weltwirtschaftsordnung, von der nur einige „Global Player“, sprich transnationale Konzerne profitieren. Gemäß der herrschenden Wirtschaftsdoktrin des Neoliberalismus geht es diesen von einer Handvoll westlicher Staaten dominierten Organisationen um eine weltweite Deregulierung und die Anpassung der Sozialstandards auf unterem Niveau.

Das WEF ist eine private Stiftung unter der Ägide des Genfer Ökonomieprofessors Klaus Schwab. Seit 30 Jahren organisiert dieser Gipfeltreffen der wahren Weltenlenker. In möglichst ungezwungener Atmosphäre parliert man über aktuelle Fragen des Weltgeschehens und trifft folgenschwere Absprachen zwischen Politik und Wirtschaft. Vor rund sieben Jahren regte sich erstmals spontaner Protest gegen die im Schweizer Nobelkurort Davos veranstaltete Jahrstagung des WEF.

Den Kampf gegen ein international agierendes Kapital führen auch die Globalisierungsgegner zunehmend in einem grenzüberschreitenden Maßstab. Auffallend dabei, dass einzelne nationalstaatliche Parteien und Gewerkschaften in den Hintergrund treten und sich bestenfalls als Teile globaler Netzwerke und Koalitionen an Widerstandsaktionen beteiligen.

Eine der wichtigsten dieser weltweit aktiven Widerstandsorganisationen ist ATTAC. Das Kürzel steht für „Association pour une Taxation des Transactions financieres pour l`Aide aux Citoyens“, auf gut deutsch etwa Aktion für die Tobin-Steuer als Stütze der Bürgerrechte. Die Wurzeln dieser besonders im Gründungsland Frankreich sehr erfolgreichen Bewegung reichen bis in die frühen 90er Jahre zurück. 1992 begannen Mitarbeiter der linksliberalen Monatszeitung »Le Monde diplomatique« eine erstmals 1978 vom US-amerikanischen Ökonomen James Tobin erhobene Forderung einer Besteuerung der internationalen Kapitalflüsse in der Höhe von etwa 0,5 Prozent aufzugreifen. Im Dezember 1997 verlangte Chefredakteur Ignacio Ramonet in einem Leitartikel die Besteuerung der internationalen spekulativen Kapitalflüsse. Das bedeutete die Geburtsstunde von ATTAC. Den Hintergrund bildete das Entstehen eines weltweiten „Casinokapitalismus“, also riesiger spekulativer Finanzmärkte - eine im Übrigen von Teilen der Linken heftig kritisierte These - und die Krise in Südostasien. Ramonet sprach sich neben der Einführung der Tobin-Steuer für die Schließung der Steueroasen und eine höhere Kapitalbesteuerung aus. Spekulative Kapitalflüsse könnten so drastisch reduziert und eine effektive globale Armutsbekämpfung ermöglicht werden. Mit diesen Forderungen gewann ATTAC in Frankreich innerhalb weniger Monate 3700 zahlende Mitglieder und zählte im Sommer 2000 deren 30.000 in 170 lokalen Gruppen. Zweieinhalb Jahre nach seiner Gründung hatte das Netzwerk zur demokratischen Kontrolle internationaler Finanzströme bereits in 30 Ländern Afrikas, Amerikas und Europas Dependancen.

Der Österreich-Ableger wurde von 50 Personen aus unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen (Wissenschaft, Gewerkschaft, Kirche, Jugend und Umweltbewegung) vorbereitet. Die Gründungsversammlung fand am 6. November 2000 im Wiener Semper-Depot vor 300 InteressentInnen statt. Inzwischen hält ATTAC-Österreich bei 270 Mitgliedern und 1050 UnterzeichnerInnen der Unterstützungserklärung. Es existieren neun Regionalgruppen und eine Reihe Prominenter von ziemlich unterschiedlicher politischer Orientierung steht hinter dem Netzwerk: Caritas-Präsident Franz Küberl, GPA-Vorsitzender Hans Sallmutter, Rechtsanwalt Thomas Prader, der Philosoph Oliver Marchart und Stephan Schulmeister vom Wifo um nur einige zu nennen. Unterstützung kommt auch von einer Reihe von Organisationen wie der GPA, der Grünen Bildungswerkstatt, der KPÖ, dem ÖGB-Oberösterreich, der Initiative für eine sozialistische Politik in der SPÖ, Pax Christi Österreich, Südwind oder dem Zentralverband der Pensionisten Österreichs.

Die Aktivitäten von ATTAC-Österreich konzentrierten sich bislang eher auf das Abhalten von Seminaren, Podiumsdiskussionen und Vorträgen. Diese Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit sollte aus Anlass des WEF-Gipfels noch verstärkt werden. Eine „Gegenveranstaltung“ mit Kurzreferaten und Diskussionen am 30. 6., die aber laut dem Salzburger ATTAC-Ansprechpartner Robert Müllner keinesfalls so heißen soll, könnte die Gruppe einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machen. Im Protokoll der Sitzung vom 26. 4. steht: „Wir sind nicht GlobalisierungsgegnerInnen, sondern Befürworter, da wir »global« als in Zusammenhängen/das Ganze sehen“. Dieser Versuch den Globalisierungsbegriff positiv zu besetzen ist durchaus überdenkenswert. Was aber einem Teil der Linken schon mehr Probleme bereitet, ist die eher begrenzte Tragweite der Kritik am Kapitalismus. Die erschöpft sich nämlich im Prinzip in einer Forderung nach besserer Regulierung der Kapitalströme.

Für einen genauen Überblick über die ATTAC-Aktivitäten beim WEF-Treffen, die bei Redaktionsschluss noch nicht fixiert waren, hier die neue Internet-Adresse: www.attac-austria.org.

Weitere Infos über Protestveranstaltungen und eine radikalere WEF-Kritik unter www.antiwef.org