mai 2001

Didi Neidhart
gehört

gehört

BINDER

photos 01

Disko B/Ixthuluh

Markus Binder, die eine Hälfte des Linzer Duo Attwenger, überrascht auf »photos 01« mit »9 electro-smog-folk tunes«, die zwar an gewisse Attwenger-Arbeitstechniken erinnern. Aber eben nur erinnern. Zwar waren auf der letzten Attwenger-CD »Song« schon Drum-Boxen und Sampler im Einsatz (etwa bei »Woam werdn«), aber Binders Interesse für »elektronisch gemachte Musik« ließ sich zuerst einmal Zeit zum Testen, Probieren und Ausfeilen. Eine also eher unaufgeregte Herangehensweise, die sich auf »photos 01« mehr als ausgezahlt hat. Binders rhythmische Gewusel mäandern daher auch mit ausgefransten Ecken und Kanten auf der Suche nach dem „Dialektischen an den Dialekten“ wie wild herum. Fragmentierte Samples und elektronische Aufzeichnungen von ungewisser Herkunft formatieren sich so zu neuen Sprachen und Sätzen zusammen, die gerade in der „Unvollständigkeit und im Mischmasch“ ihre ganzen Potentiale entfalten. Dabei erinnert die hier vollführte Montage von Sprach-Samples nicht nur an Attwenger-Texte (und natürlich Ernst Jandl), sondern transformiert die eh schon gegebene Mantrahaftigkeit zu komplexen Wort- und Soundgeflechten. Daneben grooven die Tracks aber auch ungemein, werden von tiefen Bässen und verfremdeten Hornbläsern aus Afrika durchzogen und sind voll von jenen akustischen Überraschungen und Einbrüchen, die einem allzu gemütlichen Grooven sympathischerweise immer wieder ein Haxl stellen.

POMASSL

2001

Laton

Der »Digital Terrorist No.1« aus der niederösterreichischen Weinkammer hat sich diesmal Stanley Kubriks 1968er Science Fiction-Klassiker »2001: A Space Odyssey« vorgenommen. Den Film zuerst all seiner narrativen und metaphysischen Elemente beraubt und auf Basis des Übriggebliebenen einen neuen Electronic-Soundtrack fabriziert. Abstrakt-schroffe Soundscapes aus dem Inneren eines Astronautenhelms sozusagen. Dunkle Electronic-Psychedelica in der Schwerelosigkeit, die die Ausgangsfrage nach einem aktuellen »2001«-Soundtrack geradezu übererfüllt. Musik an den Rändern der akustischen wie auch psychischen Wahrnehmungsgrenzen, die, lässt man sich ohne Schutzvorrichtungen auf sie ein, einen schon wie ein Schwarzes Loch verschlucken kann. Was natürlich ungemeinen Spaß macht, wenn's passiert.

DOS BASTARDOS

Gimme Five

DB-Recordings

Den Salzburger Frickel-Funkstern wird ja immer wieder gerne unterstellt, dass sie im Geheimen an Arm-, Hand- und Finger-Transplantationen arbeiten, um wirklich all das spielen zu können, was sie in ihren Köpfen hören. Warum sollte sich auch ein Gitarrist oder Bassist mit zwei Händen und zehn Fingern begnügen. Eben! Jedenfalls dürfte sich das mit dem Frickeln und den damit verbundenen Negativ-Erscheinungen auch bis zu den Dos Bastardos herumgesprochen haben. Weshalb jetzt auf dem »Gimme Five«-Cover auch der gefürchtete kleine Finger, welcher bekanntlich immer für jene Töne zuviel verantwortlich ist, die gerade bei Jazz/Funk/Rock extremst nerven, einfach amputiert wurde. Was sicher nicht nur selbstironisch gemeint ist. Halten sich doch auf »Gimme Five« Songwriting und Technikgefrickel problemlos die Waage. Wobei es den Bastarden in den besten Momenten immer wieder gelingt sowohl Fingerfertigkeiten wie technische Spielereien uneigennützig in die Dienste der jeweiligen Songs zu stellen. Eine Funk-Lektion, die besonders fingerflinken Saiten-Derwischen ansonsten ja gehörige Probleme zu machen imstande ist.

Einzig der Gesang dürfte sich als gewöhnungsbedürftig herausstellen. Ansonsten lassen es die Bastarden hier ordentlich »funkified« krachen.

VARIOUS ARTISTS

Discotheque Guinée 70 – 76

Syllart/Ixthuluh

Eine superbe Sampler-Reihe mit ultrararen Afro-Funk-Grooves aus den frühen 70ern. Nicht einfach reimportierter Funk, der etwas afrikanisiert in die Orgeln greift und auf's Wah Wah-Pedal tritt, sondern eher rhythmische Dialoge eines extremen Import/Export-Handelsverkehr über und zwischen dem »Black Atlantic«. Eigentlich ein irres Gewusel bei dem nicht nur die Bläser in funkyfizierten Marschmusik-Schräglagen aufhorchen lassen. Vor allem die Gitarristen und Keyboarder erforschen hier alle damaligen Möglichkeiten mittels Elektronik, Elektrizität und jeder Menge Effekt-Kasteln (Dub-Echos, Verzerrer, von der Surf Music entlehnte Gitarren-Manipulationen) Sounds zu transformieren. Was immer wieder zu herrlich-faszinierenden Passagen mit regelrecht herumfliegenden Sounds führt, die erst nach einiger Zeit einer E-Gitarre oder einer manipulierten Orgel zugeordnet werden können. Sozusagen afro-psychedelische Musik-Synkretisierungen die nicht nur das Wort »Funk« etwas anders buchstabieren. Afro-Beat-Rohdiamanten allererster Güte.