mai 2001

Wiglaf Droste

Patriotismus ist die Religion der armen Schweine

Es ist unbegreiflich, wie jemand sich Stolz einbildet auf die geographische und genetische Banalität, dass er einmal zufällig an einem bestimmten Punkt zur Welt kam. Fürs Geborenwerden kann keiner etwas, er muss es sich nicht vorwerfen und es sich nicht als persönliches Verdienst anrechnen. Man ist eben da, wie Milliarden andere auch, vielleicht macht man etwas Schönes daraus. Aber stolz sein, weil auch bei den eigenen Eltern die Teile ineinanderpassten? Es ist doch schon entnervend genug, Menschen zu treffen, die auf ihre sogenannten Lebensleistungen so stolz sind, daß sie ständig davon reden müßen: Schau Schatz, wie schön ich den Müll heruntertrug! Sieh einmal, Hasi, wie grandios ich den Wagen wusch! Ein Schriftsteller, der den Satz „Klatschend zerplatzte das Ejakulat des Altkanzlers auf dem Augapfel Sabine Christiansens“ schrieb und darauf so stolz ist, daß er ihn anderen weitererzählen muss, kann einem schon ein bisschen auf die Ketten gehen. Ungleich geisttötender sind Leute, die vor der simplen Tatsache ihrer eigenen Geburt auf die Knie fallen.

Es gibt aber Menschen, die sonst gar nichts haben - Laurenz Meyer zum Beispiel. Der CDU-Chefhetzer sieht aus, als hätte ihm seine Mutter sein Leben lang erzählt, wie oft sie versuchte, ihn abzutreiben, und dass es ihr leider nicht gelang. Dieser Schmerz ist in tiefen Riefen in seine zerquälten Gesichtszüge hineingestanzt. Der geprügelte Hund Meyer versucht, das Faktum seiner Existenz durch eine Mischung aus Dummheit, Primitivität und Lautstärke aufzuwerten. Der Satz "Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein" heißt in seinem spezifischen Fall eigentlich: Ich heiße Laurenz Meyer, ich kann meinen Job nicht und auch keinen anderen und hätte doch auch gerne ein paar Freunde, die mich loben, egal wofür. Warum nur trägt der Mann seine Nöte in die Öffentlichkeit?

Sein Kollege Guido Westerwelle hat ähnliche Sorgen. Meere von Clearasil

brandeten an die Krater seines Gesichts und richteten doch nichts aus. Man muss sich vorstellen, Guido Westerwelle zu sein und in den Spiegel zu sehen: Solch ein Leben ist hart und macht hart. Das mag unangemessen persönlich klingen, aber wenn Leute wie Meyer und Westerwelle öffentlich unter großem Bohei aus der Zivilisation austreten, ist es Unsinn, sachlich über sie zu reden – man kann ihnen nur noch Verachtung zeigen. Sie selbst sprechen niemals zur Sache, sie schüren bloß Ressentiments, und wer sie als die viel und oft und händeringend beschworenen »politischen Gegner« behandelt, mit denen noch verhandelt werden könne, ist furchtbar naiv oder selbst schon ein halber Patridiot. Am 19. März jubelte Westerwelle die »FAZ« voll: „I'm proud to be a German.“ Dadurch, daß er die Idiotie drucksig ins Englische bringt, sie also gewissermaßen international anzupinseln versucht, wird die Sache sogar noch trüber. Wer sich nur mit sich selbst beschäftigt, wird davon nicht klüger. „Ich bin stolz darauf, Deutscher in Europa zu sein“, formuliert Westerwelle verblasen – Deutschland liegt nun mal in Europa, aber wenn man eine ganz arme Sau ist, muss man eben darauf stolz sein. „Ich beanspruche den Respekt vor diesem Stolz“, fährt Westerwelle fort, „so selbstverständlich, wie es Franzosen, Belgier oder Italiener tun.“

Nationalisten gibt es überall, und immer berufen sie sich auf die Nationalisten anderer Nationen. Wer unbedingt stolz darauf sein möchte, ein Deutscher zu sein, soll sich den Satz auf ein Schild schreiben und sich damit in eine Fußgängerzone hocken. Für seine Groschengesinnung werden die Landsleute schon ein paar Groschen übrig haben.