mai 2001

Thomas Neuhold
grausame orte

Der »200er« und das Ende der Proporzverfassung

Was haben wir in diesem Raum schon gelitten: Der »200er«, Sitzungsraum im Schloss Mirabell für den Stadtsenat, das Kollegium und die diversen Ausschüsse. Hier mußten und müssen die VertreterInnen von Kultur- und Sozialinitiativen als BittstellerInnen vor überwiegend desinteressierte und oft auch inkompetente GemeinderätInnen treten. Hier fanden und finden auch jene ewig langen und quälenden Debatten statt, an deren Ende – Jahre später – das eine oder andere Debakel der Stadt stand und vermutlich auch wieder stehen wird. Hier fielen und fallen also die kommunalpolitischen Entscheidungen in der nach dem Wahlergebnis proportional zusammengesetzten Stadtregierung (beziehungsweise im – um die Klubobleute der Fraktionen erweiterten – »Kollegium«).

Geht es nach den Vorstellungen von ÖVP-Gemeinderatsklubchefin Judith Wiesner und Bürgerlistenklubobmann Helmut Hüttinger, dann soll zumindest die Proporzstruktur der Stadtregierung ein Ende haben. Die schwarz-grüne Überlegung dabei: Mit einer parlamentarischen Mehrheitsbildung im Gemeinderat bei der Bildung der Regierung, könne der unhaltbare Zustand, dass Regierungsparteien auch Oppositionspolitik betreiben, überwunden werden.

Da haben die beiden schon recht. Allerdings steht dieser Überlegung die Direktwahl des Bürgermeisters entgegen. Eine, sagen wir mal theoretisch, schwarz-grüne Koalition mit einem direkt gewählten SPÖ-Bürgermeister? Ein Unfug! Wer also parlamentarisch-demokratische Verhältnisse will, muß zuerst die Direktwahl abschaffen. Wie problematisch diese ist hat die Wahl 1999 gezeigt: Bürgerlistenkandidat Johann Padutsch rangierte in der Wählergunst zwar weit vor FPÖ-Mann Siegfried Mitterdorfer, wurde aber nicht Vizebürgermeister sondern nach der Stärke der Fraktion »nur« Stadtrat. Ähnlich verzerrte Ergebnisse drohen auch beim Modell Wiesner/Hüttinger.