april 2001

gelesen

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Thomas Edlinger, Fritz Ostermayer

Die Gutmenschenprotokolle

edition selene,Wien 2000

„Wollt ihr den Endsieg der rabiatsozialistischen Internationalen, oder wollts a Watschn?“

Ein bisher wenig beachtetes tiefenpsychologisches Problem, dem sich die »Fleißigen und Anständigen« in Österreich fast tagtäglich stellen müssen ist doch die vermaledeite Tatsache, dass sich das ganze linke Lichterketten- und Donnerstagsdemo-Gesocks den Begriff »Gutmenschen» unter die dreckigen Fingernägel gekrallt hat. Kann doch, wer nicht nur mit Fleiß und Anstand, sondern auch im Zeichen des Guten, Wahren und Schönen sein Leben meistert, nicht plötzlich zu den »Ungutmenschen« gehören. Also müssen echte und wehrhafte »Gutmenschen« her, um der Unkultur des Bösen, Falschen und Schiachen die linke Pseudo-Gutmenschen-Maske herunterzureißen. Etwa »gesetzesgeile Bürger”, die wacker gegen die Kontaktanzeigenseiten in der »Kronen Zeitung” demonstrieren auf denen »Vaterlandsverräterinnen mit ihrem »Französisch” prahlen”. Oder »patriotische Tierschützer« („Befinde mich seit heute in der Welthauptstadt der Sodomie. Ja, Brüssel ist die Hölle!“). Nicht zu vergessen die mobilen Einsatztruppen der »Vernaderungsvernaderer« sowie jene »wehrhafte Kirchengründer«, die in der »Märtyrerkrypta« unterhalb des Ballhausplatzes mit Fürbitten aus dem Ständestaat der Zwischenkriegszeit Widerstand leisten. Besser kann »Paranoia als erste Bürgerpflicht« nicht veranschaulicht werden. Dazu gibt es Interviews (u.a. mit Joachim Hirsch, Christoph Schlingensief), einen Artikel über den »Weather Underground« sowie Georg Seeßlen zum Thema »Wie werde ich Rechtspopulist«.

Didi Neidhart

Burkhard Schröder

Nazis sind Pop

Espresso Verlag, Berlin 2000

Seit Sommer letzten Jahres führt die Neue Mitte der deutschen Gesellschaft, die in Wahrheit eigentlich rechts steht, einen öffentlichen Disput über das Verbot von rechtsextremen und neonazistischen Organisationen. Neben Scheinheiligkeit (geschönte Opferzahlen) herrscht in diesen Debatten vornehmlich moralische Schaumschlägerei und Perspektivenlosigkeit. Der Berliner Journalist Burkhard Schröder (u. a. Jungle World) hat dagegen eine Streitschrift verfasst. In seinem sechsten, eher essayistischen Buch zum Thema Rechtsextremismus wendet sich der Autor gegen einige der vorherrschenden Meinungen und Mythen: Die »Ausländerfrage« ist in Schröders Augen ein Euphemismus. In Wahrheit sollte nur von Rassismus die Rede sein. Neofaschismus äußert sich nicht allein in NPD-Mitgliedschaft, sondern ist längst in die Alltagskultur eingedrungen. Im gesellschaftlichen Mainstream und dessen Populärkultur haben sich Zeichen und Symbole, die rechtsextrem codiert sind, eingenistet. Die schleichende Infiltration der Jugendbewegungen und vormals als (eher) »links« geltender Lebensstile bildet ein strategisches Konzept moderner Nazis. Davor ist auch der Underground nicht gefeit. Die Skinheads, die in der öffentlichen Meinung als DIE Bösen firmieren, sind für die aktuelle rechte Szene das, »was die Freicorps und der militärische Dresscode für das faschistische Milieu der zwanziger Jahre bedeuteten«. Das Zeichensystem der Skins aber benutzten immer wieder unterschiedliche Szenen. Dies in einem knappen historischen Überblick aufzuzeigen ist nur ein Plus des Buches.

Doc Holliday

Jürgen Roth/Kay Sokolowsky

Lügner, Fälscher, Lumpenhunde

Eine Geschichte des Betrugs.

Reclam Verlag, Leipzig 2000

Lügen, dass sich die Balken biegen, so lautet ein schönes Proverb. Da braucht der Rezensent gar kein miesepetriger Pessimist zu sein, um darin (in der Lüge) ein Grundprinzip unseres Lebens zu erkennen. Gerade in Politik oder im Beruf gilt gemeinhin das Motto: Wie bescheiß ich meine Mitmenschen am Unverschämtesten? Ein schier unerschöpfliches Thema, dessen sich das Autorenduo Roth und Sokolowsky, bekannt von anregenden Forschungen zum sachverwandten Thema »Verschwörungsmythen und -realitäten«, in vorbildhafter Weise angenommen hat. Natürlich bleibt die Arbeit »sträflich lückenhaft«. Das kann auch gar nicht anders sein, da List und Tücke, Lug und Trug, Fälschung und Täuschung und verwandte Lumpereien an jeder menschheitsgeschichtlichen Ecke lauern, nicht zuletzt in Kunst, Kultur und den Medien. Den Großmeistern ihres Fachs sind aber erhellende Generalabrechnungen gewidmet. Etwa Adolf Hitler und all seinen Möchtegernnachfolgeführern - Stichwort »Auschwitz-Lüge«. Der Braunauer Oberschurke lieferte etliche Bravourstücke in Sachen schamlose Schwindeleien ab. So gelang es ihm einige Jahre lang die deutsche Wiederaufrüstung und in weiterer Folge die Pläne für die längst beabsichtigten Annexionen der Nachbarstaaten zu »verbergen«. Selbst am Beginn des Zweiten Weltkriegs stand eine freche Lüge: Der sogenannte Überfall auf den Sender Gleiwitz, der als Vorwand für den Einmarsch in Polen diente, war schließlich das Werk von verkleideten SS-Männern! »Wollt ihr die totale Lüge«, lautete die Geheimbotschaft aus den Volksempfängern. Nur eines hatte der verhinderte Kunstmaler schon immer offen und wahrhaftig angekündigt: Die Ausrottung der Juden. Lumpenhunde, die ihm dabei halfen, gab es im Reich der Lügenpropaganda leider mehr als genug.

Doc Holliday