april 2001

Didi Neidhart
geschaut

Reden bis zum Erbrechen

Beim Reden kommen die Leute zusammen. Sagt zumindest der Volksmund immer dann, wenn er sich selber auf's Maul schaut und es gerade weit aufreisst.

Tut man sich hingegen TV-Talk Shows auf diversen Privatensender an, landet man recht schnell bei einem gänzlich unkommunikativen „Halt's bitte die Gosch'n!“

Als hätte es in den vergangenen Jahrzehnten nie auch nur ansatzweise so etwas wie öffentliche Diskussionen über Sexismus und Rassismus gegeben, feiert hier verbales Minderheiten-Klatschen fröhlichste Urstände. Wobei der Trick bei diesen »Survival of The Lautest«-Shows vor allem darin besteht, »Minderheiten« gegeneinander auszuspielen.

Dabei gilt: »Minderheiten« müssen zuerst mal Toleranz lernen. Vor allem »ausländische« Jungmänner. Kann ja nicht so schwer sein.

Müssen sich bezüglich des korrekten Umgangs mit dem anderen Geschlecht (oder auch mit Schwulen) doch nur ein Beispiel an ihren deutschen Geschlechtsgenossen nehmen, die ihnen bei jeder Talk Show eh immer wieder mitzuteilen versuchen, wie „krass“ es doch sei das Patriarchat aufrechtzuerhalten wollen. Außerdem, so der christliche Abendländer immer wieder einmahnend, kann man nicht Moslem und Schürzenjäger in einem sein. Vom Saufen mal ganz abgesehen. Aber auch jene, die der gleichgeschlechtlichen Liebe huldigen, sollen doch bitte die, die ganz offen und unverkrampft zu ihrer Heterosexualität stehen, nicht immer unterbrechen und endlich mal aussprechen lassen. Immerhin müsse doch auch über Homosexualität als vielleicht doch möglicherweise schon »Krankheit« diskutiert werden dürfen. Auch wenn das dann so stehen gelassen oder als Topfen entlarvt wird, die Strategie des »Irgendwas wird schon hängen bleiben« geht auf alle Fälle auch hier super auf.

Selbiges gilt auch für Themen wie dem »Kopftuch«, die meist, ganz unaufgeregt und eher »seriös«,

mit Statements von junge Türkinnen beginnen. Ausgewogen aufgeteilt in solche mit und solche ohne Kopftuch. Was im Prinzip ausreichen würde. Interessiert aber keine Sau. Daher müssen spätestens nach der zweiten Werbeeinschaltung fleischgewordene Blondinenwitze in Kelly Bundy-Outfit auftauchen, um mit den Kopftuchträgerinnen mal wirklich Klartext („Du schaust mit dem Kopftuch einfach Scheiße aus.“) in Sachen feministische Selbstbestimmung und männliche Unterdrückungsmechanismen zu sprechen.

Dabei stellt sich auch die Frage, nach welchen Kriterien die Talk-Gäste ausgesucht werden? Sind deren Meinungen doch meist schon vor der ersten Äußerung am Äußeren zu erkennen. Was die Orientierung bei so mehrschichtig-kontroversiellen Themen wie „Unmöglich! So dick und auch noch Sozialhilfe!“ (Andreas Türck, Pro7) natürlich ungemein erleichtert. Besonders Sozialhilfeempfänger (denen, speziell wenn sie als mehrfache Mutter erscheinen, auch immer wieder unwidersprochene Forderungen nach Sterilisation ins Gesicht geknallt werden dürfen) sehen in der Regel wie Ruhrpott/Neue Bundesländer-Verschnitte von Serge Gainsbourg im Endstadium aus (kaputte Zähne, Schnauzer, fettige Vokuhila-Nichtfrisur, abgerissene Segeltuchtrainingshosen). Da müssen Stehgreif-Schauspiel-Agenturen dahinter stecken! Schlingensief kann es nicht sein, dazu wird die RAF zuwenig ins Spiel gebracht.

„Ram It! Damn It!“ (The Stooges/Iggy Pop: »TV Eye«)