april 2001

Doc Holliday
kommentar

ORF zwischen Alibifunktion und Quotenjagd

Eine großangelegte ARD-Studie aus dem Jahr 1999 ergab, dass den öffentlich-rechtlichen Sendern (im Vergleich zu den Privaten) eine höhere kulturelle Kompetenz bescheinigt wird. Besonders die dritten Programme der ARD zeichnen sich nach wie vor durch ein vielfältiges Kulturangebot aus: Filmreihen, die ansonsten nur in Kinematheken laufen (unter Einschluss der »exotischen« Filmländer und -genres), Übertragungen von Livekonzerten (WDR-»Rockpalast«).

Darüberhinaus sorgt die deutsche Gesetzeslage dafür, dass selbst in den wichtigsten Privatsendern ein sehenswertes Kulturprogramm offeriert wird. Verantwortlich dafür sind die formal und inhaltlich innovativen Sendungen von Alexander Kluges DCTP-Produktionsfirma.

In Österreich dagegen erschöpft sich das Thema in Absichtserklärungen von ORF-Intendant Leopoldseder: Von Verführung zum Schauen, Nachdenken und Staunen ist die Rede und dass die Kultur kein Schattendasein fristen dürfe. Schöne Worte, allein die Werke sieht man nicht.

Dabei war der ORF vor gut 30 Jahren ein Labor für Avantgardistisches, wie etwa die Produktion eines Films von Yoko Ono (»Rape - No. 6«) belegt. Zur selben Zeit entstanden auch experimentelle Fernsehfilme, die die heimische Kunstszene auf unkonventionelle Weise thematisierten.

Heutzutage fehlt das Geld (ganz sicher nicht die Kreativen), um solche echten Kunststücke zu produzieren. Mit der Marie müssen schließlich Musikantenstadl und Schi-WM bedient werden. So mutiert der Traum von den hohen Einschaltquoten zum Trauma. Wenigstens aber könnten mit den vielen Highlights vergangener Jahre die Nachtstunden gefüllt werden. Ein x-beliebiger »Club 2« besitzt sowieso größeren Informations- und Unterhaltungswert, als sämtliche »Betrifft-Sommergesprächs-Zur-Sache«-Belangsendungen der Klubobmänner.

Klasse und Niveau durch Kontroverse – das scheint den Fernsehgewaltigen von heute ein zu heisses Eisen zu sein.