april 2001

im gespräch

Die Strafe der Fernbedienung

Salzburgs ORF Intendant Friedrich Urban über fehlende Spielwiesen, Faschingsscherze und

kunstfehler: Es gibt in Salzburg derzeit die Kulturleitbild-Diskussion, in die auch sie eingebunden sind. Wie sind Ihre Erfahrungen mit diesem Prozess?

Urban: Positiv ist, dass Kultur plötzlich wieder einen Stellenwert bekommen hat, darüber gesprochen wird und Kultur im Bewusstsein der Politiker wieder Raum gefasst hat. Die Zusammenfassung der Kulturleitbild-Diskussion ist hingegen ein »No-Na«-Papier. Mein Wunsch war, und dem hat dann auch Bürgermeister Schaden zugestimmt, dass dieses Papier mit einem Zeithorizont und mit Aktivitäten vernetzt werden muss. In der derzeitigen Fassung kann niemand kontrollieren, was aus diesem Kulturleitbild heraus passiert. Ich muss quantifizieren und Aussagen für oder gegen das eine oder andere treffen.

kf: Vor genau einem Jahr hat der ORF-Informationsintendant Hannes Leopoldseder in den »Salzburger Nachrichten« gesagt: „Wir wollen im Jahr 2000 den Stellenwert der Kultur im Fernsehen weiter ausbauen und festigen.“ Was hat sich quantitativ wie qualitativ geändert?

Urban: »Treffpunkt Kultur« ist mittlerweile unbestritten. Das sind immerhin zwei Stunden Kultur im Fernsehen. Ob es jetzt quantitativ wirklich mehr Kultur gibt, kann ich nicht beurteilen. Im Bereich der Alternativkultur haben die »Kunststücke« früher mehr aus Salzburg gebracht.

kf: Bei der lokalen Kulturberichterstattung gibt es eine deutliche Trennung von Radio und Fernsehen. So bietet Ö2 mit »Papageno« ein gutes Schema mit hohem Anteil an »alternativen« Kulturangebot. Wo liegt das Problem beim Fernsehen – wenn etwa eine Band wie Pearl Jam im Stadtzentrum spielt, wäre das einem 3. deutschen Sender schon eine Stunde Übertragung wert.

Urban: Das ist nicht finanzierbar. Auch bei den Deutschen nicht mehr. Ein Bob Dylan bewegt sich in sechsstelligen Dimensionen. Wir müssen froh sein, bei der zweiten Nummer drei Minuten mitfilmen zu dürfen.

kf: Ist eine »Papageno«-Format Ergänzung im Fernsehen, vergleichbar mit »Cappricio« auf Bayern 3, denkbar?

Urban: Es gibt die Sendefläche dafür nicht. Bestimmte Geschichten bringen wir im »Treffpunkt Kultur« bzw. kommt dieser zweimal im Jahr aus Salzburg. Dafür haben wir, im Gegensatz zu Bayern 3 und der ARD, eine tägliche Kulturberichterstattung in den Hauptnachrichtensendungen.

kf: Gibt es nicht jenseits dieser großen Namen die Möglichkeit spezielle Events aufzunehmen? Die dritten Programme in Deutschland zeigen Festival-Mitschnitte oder Archivmaterial und füllen damit ihre Nachtprogramme auf.

Urban: Auch dieses Auffüllen geht nicht mehr. Die Fernsehgewohnheiten und der Aufwand haben sich in den letzten Jahren radikal verändert. Das merken auch die Opernfreunde. Schuld daran sind die kommerziellen Privatsender. Salzburg hat wie Österreich 80 Prozent Kabel- oder Sat-Haushalte. Helmut Thoma hat vor Jahren einmal den schönen Satz gesagt: „Den Fernsehmacher bestraft die Fernbedienung“. Und es ist so.

Der Punkt ist das dritte Programm, so eine Spielwiese haben wir nicht. Man vergisst, dass Bayern 14 Millionen Einwohner und dementsprechende Gebühreneinnahmen hat. Österreich hat sieben Millionen, Salzburg nur 400.000. ARD und ZDF benötigen nur 10 Prozent aus Werbeeinnahmen für das Gesamtbudget. Bei uns sind es über 50 Prozent. Dafür produzieren wir viel für 3sat, einiges für Arte und seit kurzem auch für »Bayern Alpha«. Wir werden auch die »Feindbilder«-Serie und die »Zeitzeugen«-Serie, diesmal über den Zeitraum von 1968 bis heute, für 3sat wiederbeleben. 3sat ist somit unser drittes Programm.

kf: Die Traditionskultur hat im ORF ein relativ breites Angebot. Warum gibt es kein Pendant für die alternative, freie Kultur?

Urban: Wenn es ein Ereignis gibt, dass heraussticht, dann bringen wir das auch in »Salzburg Heute«. Aber Mitschnitte sind zu kostenintensiv, selbst von den Festspielen produzieren wir jährlich nur noch einen Mitschnitt.

kf: Das Samstagabend-Schema – alte Burgtheater-Produktionen aus den 70er Jahren zu spielen – ist das nicht eine Strategie um den Kulturanteil hochzuhalten, sich aber vor Zeitgenössischem zu drücken?

Urban: Die Fernsehprogrammierung entsteht in Wien. Ob das jetzt System ist, oder mit dem Faschingssamstag zusammengehangen hat, kann ich nicht sagen. Bis vor einem Jahr gab es österreichische Filme, auch solche, bei denen der ORF mitproduziert hat, am Samstag. Was gut angekommen ist. Man kann sagen, dass der ORF hier als Öffentlich-Rechtlicher seine Funktion erfüllt: Ohne uns gäbe es keinen neuen österreichischen Film.

kf: Wie schaut die Rolle des ORF als Auftraggeber für künstlerische Produktionen aus? Werden Projekte an Filmschaffende in Salzburg ausgelagert?

Urban: Da sind wir relativ gut unterwegs. Wir setzen Salzburger Filmfirmen und Kreative ein. Etwa Wolfram Paulus oder Wolfgang Haberl, der im Sommer ein »Österreich Bild« über Obdachlosigkeit in Salzburg machen wird.

kf: Es gibt seit der »Wende« deutliche Hinweise, dass die »Intervinitis« seitens politischer Parteien im ORF zunimmt. Diese Vorgänge sind dokumentiert – etwa durch die 15 Anrufe im ORF seitens des Generalsekretärs der FPÖ, Peter Wesenthaler. Wie oft werden sie derart belästigt?

Urban: Ich kann da nur für Salzburg sprechen. Da gibt es keinerlei Intervention. Es gibt selbstverständlich Kritik. Auch Politiker sind Hörer oder Seher und haben das Recht, das Programm zu kritisieren. Es gibt aber, und dagegen wehre ich mich auch, keinen politischen Einfluss. Sie werden auch keinen Salzburger ORF- Journalisten finden, der von Interventionen berichten kann. Dass wir gegenüber allen Parteien unsere Unabhängigkeit wahren, zeigte ja das letzte Beispiel mit Karl Schnell (FPÖ), der etwas behauptet hat, was in keiner Weise auch nur annähernd gestimmt hat und dafür zu einem Vergleich gezwungen wurde.

kf: Danke für das Gespräch.