april 2001

Gert Kerschbaumer
titel

Salzburger Eliten-Heimsuchung

Vergessen ist der Künstler Rigobert Funke. Seine Bilder schmücken die Wohnung der Witwe. Die Margarete fabuliert im Rollstuhl und die Hamster scheißen gehörig. In diesem Mief süffeln die Gäste den säuerlichen Roten – den letzten bald nach dem Sturz der Sowjet-Union. Dann ist auch die Margarete tot und verbrannt.

Keine politische Leuchte war Rigobert Funke, ganz ohne Ehrgeiz im Nazi-Reich. So diente er brav dem befreiten Salzburg als saubere Galionsfigur: im städtischen Museum wie in der Österreichisch-Sowjetischen Gesellschaft. Als der Salzburger Landtag aber den offiziellen Befreiungstag verscharrte, dankte Funke trotzig den Befreiern, auch der Roten Armee. Da ätzten unsere lokalen Stiefelträger der verscheuchten Reichsvögte. Ihre Revanche-Gelüste befriedigte DIE NEUE FRONT: das nazistische Organ der Unabhängigen, dann der ebenso umtriebigen FPÖ.

Diese blaue Bande fasste ihr Jagdziel ins Visier: Ämter und Privilegien der ÖVP & SPÖ, die seit ihrer Wiedergeburt die Funktionselite stellen. Doch kaum diktierte der Kalte Krieg die lausigen Feindbilder, ist auch schon die bunte KZ-Gemeinschaft zerstückelt und der Schulterschluss mit den Neidern und Hassern gerüstet: rechte Instinkte füttern und linke Köpfe kreuzigen. Den so befreiten Bürger-Clan ergötzten pompöse Trophäen wie der Edelkommunist Gottfried von Einem und der Vaterlandsverräter Rigobert Funke: AUSGEFUNKT, so die lapidare Häme der Ränke-Front anno 1954.

Der Chefsessel im städtischen Museum gehörte im Nu dem Kurt Willvonseder - vormals SS-Obersturmführer und willfähriger Denkmalpfleger, von den Amis abgesattelt und auf ein gutes Jahr ins Lager Glasenbach gesteckt, wie so viele aus der windigen Bourgeoisie. Die hielt sich aber für das Opfer der Siegerjustiz, und für die Ehre der Unheilstifter bürgte der katholische Oberhirte Andreas Rohracher.

Im Trauerspiel 1988 – 50 Jahre innerlicher Anschluss – verkündet Bürgermeister Josef Reschen ein Antifa-Mahnmal, ehrt aber flugs - mit Bürgerbrief - den Obmann der Wohlfahrtsvereinigung der Glasenbacher und damit das straffe Netzwerk für umlackierte Karrieren in allen Apparaten.

Der honorige Club von tausendjährigem Dünkel genießt den parteiischen Flankenschutz in das dritte Jahrtausend hinein. Wenn die pensionierte SS-Riege mit dem Rottenführer und roten Polizeidirektor Hans Biringer ihren trutzigen Heldenmarsch trampelt, dann verfolgt die Bundespolizei die leise Trauer um Menschen wie den KZler numero 66698: getötet im Volksgarten kurz vor der Befreiung.

Einmal wollte die US-Army ihre Macht behaupten: Säuberung der mörderischen Polizei mit Hilfe des frischen Chefs Josef Daspelgruber. Er frisierte aber die Personalakten, hätte dafür eine saftige Strafe absitzen sollen und hockte bald wieder auf einem hohen Polizeiross – damals wie heute Top-Ämter der SPÖ.

Ihr Bund Sozialistischer Akademiker (BSA) lechzte nach Intelligenz und zehrte vom Eintopf deutsch-völkischer Turnvereine und schlagender Burschenschaften. Der Klüngel hatte sich als Notretter in seine Gnadensonne gejubelt und als Gewalttäter in unseren Schnürlregen verdrückt. Abgewaschen ist die braune Farbe auch am hiesigen Magistrat. Die Nazi-Registrierung erledigte nämlich der BSA-Jurist Walter Hingsamer. Er war selbst ein ehemaliger: der Bock als Gärtner. Trotz Verbotsgesetz lukrierten die Hochverräter wie Franz Lorenz und Harald Lettner schon ihre Amtswürden, als die vertriebenen Juden noch auf Rückkehr und Eigentum hofften. Das vereitelte der vermummte Antisemitismus - verdeutscht für den Ärmelschoner: Neid – Hass – Habgier.

Davon besessen waren die ebenso vernagelten Katholiken: ÖVP und Cartell-Verband (CV). Auf ihren Pfründen tummeln sich versippte Seilschaften. Ihr Akten-Schließer heißt Herbert Klein: in der selben Burschenschaft wie Herbert von Karajan und daher dessen Nazi-Werber, und als NSDAP-Genosse notorischer Amtschreiber für Rassenpolitik: ein Judenverächter. In der anschließenden CV-Ära avancierte Klein zum Chef des Landesarchivs und der Landeskunde. Da werden die Trümpfe ausgespielt: zur ranzigen Scheinheiligung.

Dazu taugt die Patronage noch heute. Das zeigt die abgekartete Deutung der jüngst entmotteten Beutekunst in den Landesmuseen. Jetzt wird die hausgereifte Habgier den einst verschaukelten Amis untergejubelt, und das Amt der Dunkelmänner schupft sein Schauermärchen in die Schlagzeile: AMIS STAHLEN WIE DIE RABEN. Das schafft Genugtuung in der Nutznießer-Partie um den toten Stifter Friedrich Welz.

Noch lebt sein Rupertinum. Nun drohen bombastische Visionen, die sich traumatisch auf Übersee-Reisen einstellen. Dort in den freien Höhen leuchtet Guggenheim. Hier in der heimeligen Enge nistet die Sucht nach globaler Strahlkraft, und im Baulöwen-Zwielicht rumort der kapitale Wahn. Der wirft sich zyklisch auf die grüne Altstadtlunge: einst die reichsdeutsche Festspielhalle mit begnadeter Aussicht zum Obersalzberg, bald der republikanische Olympia-Turm zu Ehren des Genius loci, ebenso ehrlos vergraben, und jetzt das generöse Höhlenmuseum – ? – eher draufgeschludert eine knickrige Betonkiste für die Quoten-Touristik. So kiefelt seine Landeshoheit, der CV, an der sekkanten Frage: Woher die Globus-Schau nehmen, wenn nicht rauben? Einstweilen prasselt rhetorisches Strohfeuer um die getrickste Kür der Wiener Direktrice, und da erscheint sie leibhaftig: die Husslein, ach wie toll, ein blasiertes Herzbinkerl ihres Museumsgeneralobristen und ebenbürtiger Edel-Schnorrer, die sich’s elastisch richten im Noblesse-Salon.

Bereichert Euch! So schnäbelt die intime Freunderlwirtschaft – gestern noch grauslich begeifert von der Ego-Schnauze des Haider. Doch kaum sind seine abgefeimten Prinzhörner am Futtertrog postiert, wird das verhimmelte Kleinvolk teuflisch betakelt. In Salzburg erquickt sich sein wackeliger Gauvogt an der senilen Witzelsucht, um die Datenklaue schnell in verjährter Schuld zu waschen. Brav kuschen die bulligen Naderer mit kleinen Chargen.

Die verranzte Uni säugt keine Schläger-Eliten. Der schmisslose Akademiker hängt am Proporz-Zuzel. So werden Ämter, Schulen und GSWB noch sittsam gegängelt. Wer aber fremdelt, der sauft oder strampelt mit den Grünen. In freien Berufen und Etagen ist statt der gemeinen Packelei schon die persönliche Wertschätzung – der Helmut Hüttinger – gefragt.

Wer sich in Thomas Bernhard und O. P. Zier abgöttisch vernarrt, der wurlt in der querköpfigen Szene: frei, aber geldhörig und daher gefleddert – meuchlings auf Kulturkampf-Kommando. Das funktioniert fast wie geschmiert. Da war doch das widerspenstige Salzburg: Robert Jungk und Willi Kaufmann verstorben – Elisabeth Moser und Herbert Fux zerrauft – der Voggenhuber hinaus geekelt und jetzt auch der Mortier.

Unter der Heimtücke-Fuchtel torkelt kunterbunt ein Demo-Häuflein. Da hapert es kaum am bärigen Sauglockengeläut – sakrisch frei nach Amadeus. In seiner MotzArt schwelgen noch subversive 68er. Ist das Fossil zermanscht und mit ihm der luzide Protest, dann klatscht der Revanchisten-Salon zum triumphalen Früchte-Tee. Und wie er ins Blaue flunkert: unser Karl-Markus Gauß. Ihm graut bloß vor dem blinden Selbsthass des letzten Antifaschisten. Über diesen todschicken Wahnwitz zerkugelt sich der rabulistische Linke. So bildhaft verschlagen sind über ein halbes Jahrhundert die Elitenschützer: Um mit Waggerl & Wotan ihrem seelischen Reichsparteitag zu frönen, hussen sie auf die krumme Tour, seit sich der erste Jude über die patriotische Nazi-Liebe mokiert. Sein blinder Hass würde auf die Juden zurückschlagen!

Den letzten Juden mundtot zu klopfen, das scheitert am eloquenten Widersacher: Marko M. Feingold. Nur das Wort Antifaschismus ist als rotlackierter Faschismus längst verhext und den greisen KZlern und Widerständlern vom Mund geraubt. So hat unser Rathaus das Mahnmal der Schütte-Lihotzky volle 56 Jahre versumpert. 2001 will Bürgermeister Heinz Schaden ein originelles Zeichen setzen – sapperlot, niemals vergessen!