märz 2001

Didi Neidhart
gehört

gehört

ART ENSEMBLE OF CHICAGO

Les Stances A Sophie

(Universal Sound/Hoanzl)

Lange verschollener, 1970 in Paris eingespielter Soundtrack, der alleine wegen des atemberaubenden Free-Funk-Groove-Monsters »Theme The Yoyo« als zwingende Angelegenheit in Sachen »Jazz Is The Teacher But Funk Is The Preacher« angesehen werden muss. Woran aber auch Lester Bowies damalige Frau, die ehemaligen Chess-Soul-Heldin Fontella Bass (»Rescue Me«) als Vokalistin ihren Anteil hat. Also superfunky Rare-Grooves plus abenteuerliche, afrozentrische Monteverdi-Variationen. In Full Effect grenzüberschreitend und mindblasting!!!

DISCO NOT DISCO

(Strut/Ixthuluh)

Klasse-Sampler mit bester früh-80er Bastardmusik. Abstrakter Space-Funk, mit Sicherheitsnadeln zusammengehaltene Disco-Grooves, abgehackte Punk-Echos, nihilistische No-Wave-Explosionen und urbane (Free) Jazz-Radikalismen waren sich selten so nah wie hier. Wobei es den Beteiligten, u.a. Yoko Ono (»Walking On Thin Eyes«), Bill Laswell's Material, Was (Not Was), Don Cherry, Steve Miller Band (»Macho City«), weniger um »Fusion« oder »Crossover« geht/ging, sondern eher um die Erzeugung von Reibungsenergien durch das parallele Ausstellen und Erforschen radikaler Differenzen. Was auch heißt, dass hier, wie immer bei ausgewiesenen Bastardwechselbälgereien, nichts fertig aber alles im Rohbau ist, und gerade deshalb plötzlich wieder so superaktuell daherkommt, dass es einem dabei fast die Sprache verschlägt. Sozusagen die ersten funky Tanzschritte auf Grundlage dekonstruktivistischer Hirnschmalzfaltungen.

NEW ORLEANS FUNK

(Soul Jazz Records/Hoanzl)

Dass New Orleans der einzige (!) Ort in den USA war, an dem schwarzen Sklaven das Trommeln nie verboten wurde (im restlichen Süden galt dieses Verbot bis in die Anfangstage des 20. Jahrhunderts), erklärt zusätzlich die facettenreiche, polyrhythmische Vielfalt beinah jeglicher Musik aus der Cypress City. Der vorliegende Sampler vereint nun Aufnahmen von 1960 bis 1975, als sich in New Olreans – beinahe unbemerkt vom Rest der USA – eine ganz spezielle Form des Funk herausbildete. Getragen von Jazz, Ragtime, Rhythm & Blues, afro-kubanischen Grooves und vor allem den New Olreans-typischen »Second Line Beats« (jener vielstimmige, rhythmische Wahnsinn, den die Teilnehmer von Paraden und Begräbnissen als »Kontrapunkt« zu den eigentlichen Marching Bands aufführen), entstand hier der wahrscheinlich vertrackteste und dennoch butterweichste groovende Funk ever. Dass in diesem Groove-Olymp New Orleans-Heroen wie The Meters, Professor Longhair, Aaron Neville oder Dr. John nur Eisbergspitzen darstellen, macht zudem Lust auf mehr. Also nichts wie her mit Volume 2!

LEON LAMONT

Breakbeat Mechanic

(WordSound/Ixthuluh)

»The drummer gets wicked!« So könnte der Untertitel zu Lamonts Debüt-CD auch heißen. Gehört er doch zu einem der gefragtesten Drummer in der New Yorker »Downtown«-Szene, und war in dieser Funktion in den letzten Jahren immer wieder an der Seite von

Querfeldein-Denkern wie Vernon Reid, Marc Ribot oder DJ Logic zu hören. Zusammen mit dem Producer Scotty Hard (Wu-Tang Clan) hat er nun auf Grundlage live eingespielter Drum-Patterns ein äußerst abstraktes Funk-Album zwischen HipHop, Electronica und Drum'n'Bass eingespielt, das sich wohltuend von (als Drum'n'Bass getarnten) Jazzrock-Frickeleien der Marke Squarepusher unterscheidet. Lamont versucht viel eher die »genetischen Codes« verschiedener rhythmischer Strukturen zu knacken, um sie dann neu und entgegen der ursprünglichen Intentionen zusammenzusetzen (siehe auch die als DNA-Doppelhelix dargestellte Schlagzeug-Hardware am Cover). Eine mitunter schroffe, aber mit Haifischgrinsen zwischen allen Stühlen balancierende Angelegenheit.

BEOBACHTUNGSPROTOKOLL

Gold Extra

Der zweite Sampler des umtriebigen Salzburger Kulturvereins »Gold Extra« versteht sich als eine Art akustischer Begleiter durch das, was man so »Tag« nennt. Wobei nicht ganz klar wird, wann z.B. so etwas wie das »Frühstück« eingenommen wird. Vor jenem Zeitpunkt, an dem die Fleißigen und Anständigen normalerweise ihre Mittagspause abhalten, oder danach. Wir tippen jedenfalls - trotz gegenläufiger Liner-Notes - mal auf danach. Auch weil das, was hier von schon eher bekannten und noch nicht so bekannten üblichen Verdächtigen wie Doktor Azrael, Aegyd, DJ Sors, Eljot, Gianni Stiletto, DJ Odd, Acapulco Gold Diggers oder den heimlichen »gehört«-Darlings Audio Gambit zwischen Dub, HipHop, Drum'n'Bass und Electronica zusammengebastelt wurde, nicht wirklich mit Tätigkeiten wie Morgengymnastik in Verbindung gebracht werden kann. Dafür kann man sich mit dem einzelnen Tracks umso besser die Nacht um die Ohren schlagen bzw. diese zum Tag machen.

Kontakt: http://ww.goldextra.com