märz 2001

Doc Holliday
geschaut

Liebesgrüße aus Washington

Seit vier Jahrzehnten steht der kubanische Revolutionsführer Fidel Castro ganz oben auf der Liste der US-Staatsfeinde. Bloss weil der Spielverderber nichts für die Ausbeutung des Volkes durch Konzerne und Mafia übrig hat. Um die Geschäftsstörung zu eliminieren, verfielen die Strategen des CIA auf allerlei spinnerte Ideen. Präparierte Zigarren, Enthaarungsmittel, um den maximo lider seines mächtigen Buschens zu berauben und ähnliche Hinterfotzigkeiten. Wem die Verschwörungsliteratur zur Kennedy-Ermordung oder der Ellroy-Roman »Ein amerikanischer Thriller« zu unglaubwürdig klingt, sollte es mit dem Dokumentarfilm »Lieber Fidel...« probieren. Erzählt wird die Geschichte der gebürtigen Bremerin Marita Ilona Lorenz. Die Tochter eines Kapitäns lernt Castro wenige Wochen nach dem Sieg der Befreiungsbewegung in Havanna kennen und lieben. Die Revolution ist sexy. Schließlich wird sie im sechsten Monat schwanger unter Drogeneinfluss zur Abtreibung gezwungen. Ob von den Kubanern oder der mit der Mafia kooperierenden CIA, bleibt ein Rätsel. Nach diesem Erlebnis geht Lorenz in die USA und arbeitet für den Geheimdienst. 1960 kommt sie mit Giftpillen für Fidel wieder nach Havanna. Aber Marita schüttet sie in den Abfluss. Der Bart bleibt dran, das Gspusi geht weiter. Und eine besondere Beziehung besteht bis heute. Das verhilft dem Film sogar zu komischen Momenten. Als Lorenz den greisen Castro während der Dreharbeiten im Fernsehen Reden schwingen sieht, wird es ernst für den Latino-Macho: Sie meint, dass er wohl Viagra bräuchte, der „süsse, alte Knacker“. Ein Film mit einer Protagonistin voller Widersprüche: Eine Frau, die eine Truhe mit Erinnerungen an den Revolutionsführer aufbewahrt und die gleichzeitig in konterrevolutionäre Aktivitäten verwickelt war; eine Figur zwischen persönlicher Glückssuche und Verstrickungen in schmutzige Politgeschäfte.

Heute lebt Marita in New York von Sozialhilfe. Dabei hätte Oliver Stone ihr angeboten, einen Film über ihr bewegtes Leben zu drehen. James Bond ist dagegen ein Lercherlschas.

»Lieber Fidel - Maritas Geschichte«.

(BRD 2000. Regie und Buch:

Wilfried Huismann).

Anlässlich des 4. Lateinamerika-Filmfestivals im Das KINO; ab 30.3. im regulären Programm. Doc Holliday