märz 2001

Martin Wassermair

Kreativwirtschaft und Kameradschaftsgeist

Ein Jahr schwarz-blaue Kunstförderpolitik

Die Frage, ob nach einem Jahr schwarz-blauer Regierungsarbeit die Wende im politischen System dieses Landes bereits vollzogen ist, oder ob sie sich noch in der Phase der Vorbereitungen befindet, mag rund um den ersten Jahrestag vielleicht für die Gazetten von auflagensteigerndem Interesse gewesen sein. Für Österreichs Kulturinitiativen ist sie weitgehend unerheblich. Denn viele von ihnen kämpfen bereits um das nackte Überleben.

In seinem ersten Jahr als Staatssekretär für Kunst und Medien hat sich Franz Morak als bündnistreuer Vollstrecker einer Politik erwiesen, die dem Artenreichtum von beißfreudiger Kunst- und Kulturarbeit auch die letzten Zähne ziehen soll. So musste die IG Kultur Österreich bereits im September 2000 zur Kenntnis nehmen, dass die Kürzungen der Kulturinitiativen jene 4,5 Prozent deutlich überschritten haben, die zuvor noch als großer politischer Erfolg vorgekaukelt worden waren. Tatsächlich wurde um durchschnittlich zehn bis 30 Prozent (und noch mehr) gekürzt, was im Falle vieler Projekte eine existentielle Gefährdung der Programmplanung, vor allem aber der Organisationsstrukturen nach sich zieht. Insbesondere regierungskritische Aktivitäten bekommen nun den neuen Wind zu spüren. Die Freien Radios sind mit 2001 zur Gänze aus der Bundesförderung gestrichen. Die Wiener Netzkultur-Institution Public Netbase t0 erlebt eine schier endlose Schikane. Und auch von den BundeskuratorInnen geschaffene Einrichtungen wie das »Depot« werden weiterhin über ihre Zukunft im nervenaufreibenden Unklaren gelassen.

Besonderes Augenmerk verdient neuerdings die schwarz-blaue Vergabepraxis. Denn noch gibt es Förderungen für die Kunst, sowie auch Richtlinien, die allerdings jetzt nach Belieben gebogen werden sollen. Dabei zeichnet immer deutlicher ab, dass das System der unabhängigen Fachbeiräte schrittweise, dafür aber umso konsequenter, ausgehebelt wird. Und da mag Kunststaatssekretär Morak noch so hartnäckig beteuern, mit seinem Kabinett „ein weisungsfreies Büro“ zu sein - die Realität zeigt das genaue Gegenteil.

Jörg Haider hatte beim neuen Kunststaatssekretär jedenfalls ein leichtes Spiel. Er schrieb Franz Morak einen Brief und erhält nun im Gegenzug Fördergeld. 200.000 öS als Finanzierungsanteil der Kunstsektion für ein bronzenes Monument in Klagenfurt, das an die Kärntner Volksabstimmung und damit an eine nationalistische Hegemonie über die Minderheiten im Lande erinnern soll. Zeitgenössische Initiativen, die sich in Kärnten um eine partizipative Einbeziehung der Volksgruppen in ihrer Kulturarbeit bemühen, werden hingegen drastisch gekürzt und stehen – wie etwa das mehrsprachige Radio AGORA – vor dem Aus.

Auch das Begehr eines anderen Haider hatte offenbar keinen Beirat zu passieren. Hans Haider, Kulturredakteur der Tageszeitung »Die Presse«, ersuchte um finanzielle Zuwendung für einen Kirchenmusik-Preis der Erzdiözese Wien. Freundschaft verpflichtet. Also bewilligte Franz Morak 150.000 öS aus Budgetmitteln für zeitgenössische Kunst.

Es ist zu befürchten, dass es sich bei derartigen Beispielen nur um die Spitze eines Eisbergs handelt. Auf alle Fälle ist eine solche Vorgehensweise kein Zeugnis eines »weisungslosen Büros«, sondern ein klarer Nachweis dafür, wie hier eine weitgehend objektivierte Handhabung der Kunstförderung durch parteipolitische Interessen zunehmend übervorteilt wird. Diese sind zuletzt auch bei einer vollkommen planlosen und willkürlichen Umgestaltung der Strukturen innerhalb der Kunstsektion zutage getreten, die eher den Vergeltungsabsichten der neuen MachtinhaberInnen folgten, als dem Ergebnis einer sachpolitischen Reflexion.

Leidtragende sind zweifellos Kulturinitiativen und Kulturschaffende, die unter dem Zusammenwirken von neoliberaler Kreativwirtschaft und Kameradschaftsgeist in der Förderpolitik zunehmend unter die Räder kommen. Mit weiteren Verlusten ist 2001 und darüber hinaus zu rechnen.