märz 2001

Doc Holliday

Jagdszenen aus Salzburg: Der ewige Antisemitismus

Vor 40 Jahren stellten Staatsmacht und hilfswillige Bevölkerung ihren militanten Judenhass einmal mehr ungeniert unter Beweis

Der Antisemitismus ist in unseren Breiten nie ganz aus der Mode gekommen. Gerade deshalb sollte in Zeiten wie diesen, da ein Teil der Gesellschaft Weltoffenheit simuliert, an besondere Schandtage erinnert werden. Dass die guten Salzburger Bürger ihre Vorurteile keine sechs Jahre nach Auschwitz in handfester Form öffentlich präsentiert haben, steht für die freche Kontinuität des jahrhundertealten Antisemitismus.

Den Auslöser für die Übergriffe bildete eine Filmvorführung im Elmo-Kino: Am 2. April 1951 startete dort der Streifen »Unsterbliche Geliebte« von Veit Harlan. Die Kritik entzündete sich nicht am miserablen Film, sondern an der Person des deutschen Regisseurs. Der hatte während der Nazizeit Karriere gemacht und sich als bedingungsloser Apologet von NS-Ideen erwiesen. Unter anderem inszenierte er den berühmt-berüchtigten Hetzfilm »Jud Süß«. 1949 wurde der Nazipropagandist wegen dieses antisemitischen Machwerks angeklagt, jedoch in zwei Prozessen freigesprochen. Dagegen und in der Folge auch gegen Aufführungen von Harlans erstem Nachkriegsfilm war es in ganz Deutschland zu antifaschistischen Protesten gekommen.

Bereits an den ersten beiden Aufführungstagen wurden die Demonstranten im Elmo von einer Polizeieinheit auf ihr »jüdisches Aussehen« hin »geprüft« und unter Einsatz der hölzernen Schlagstöcke »entfernt«. Der Rest des Publikums spendete diesem Vorgehen Beifall. Die Polizisten erleichterten sich auch verbal: Unter Losungen wie „Verfluchte Juden“ oder „Euch Juden sollte man die Köpfe abschneiden“ verfolgten sie die Demonstranten bis in die Seitenstraßen. Am dritten Tag forderten etwa 200 Mitglieder der „Jüdischen Gemeinde“, des „Bundes der KZ-Opfer“, des „Verbandes der rassisch Verfolgten“ (dessen Vorsitzender Elmo-Kinobetreiber Ferdinand Morawetz sen. war, der nach den Übergriffen ausgeschlossen wurde!), der Sozialistischen Jugend und der KPÖ in Sprechchören die sofortige Absetzung des Films. An die 1000 Gegendemonstranten und 400 Polizisten hatten sich vor dem Lichtspieltheater eingefunden. „Um Ruhe und Ordnung wieder herzustellen“, so ein Sprecher der Sicherheitswachebeamten in der SN, ordnete der damalige Polzeipräsident Hosp (SPÖ) einen massiven Knüppeleinsatz an, der vom heimischen Mob mit Steinwürfen und reger Teilnahme an der Schlägerei unterstützt wurde. Das Ergebnis waren 31 verletzte Anti-Harlan-Demonstranten, zehn davon schwer. Flüchtende wurden sogar bis vor das Haus der »Jüdischen Gemeinde« in der Mertenstraße verfolgt, auf das unter dem altbekannten Ruf „Juden raus“ ein Steinhagel niederprasselte.

Der Zeitzeuge und heutige Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburgs, Marko Feingold, ist über die pogromartige Eskalation wenig verwundert: „Im Inneren sind die Leute gleich geblieben. So waren sie 38, nicht anders in den 50ern. Auch heute stehen wir wieder am Rand einer unheilvollen Entwicklung. Für einen neuen Faschismus bedarf es nur wenig“. Die ungebrochene Aktualität des Feindbildes Juden lässt sich tatsächlich an einem beliebigen Stammtisch überprüfen.

Ein Augenzeuge der antisemitischen Übergriffe von 1951 ist auch Simon Wiesenthal. Über die Festspielstadt und seine Einwohner meinte er: „Das also ist Salzburg. Jetzt kann man verstehen, dass im Jahre 1949 Mitglieder nazistischer Untergrundgruppen aus Deutschland nach Salzburg zu einer Konferenz gekommen waren. Sie waren der Bevölkerung sicher.“

Wie üblich will heute keiner an diese peinlichen Schandtaten erinnert werden. In Stadtchroniken sucht man vergeblich danach. Verdrängungsweltmeister sind und bleiben anständige, brave und fromme Unschuldslamperl.