märz 2001

Doc Holliday
grausame orte

Universität in der Akademiestraße

Die Mega Arschbombe!

Im Nonntal steht ein Teil der Salzburger Universität. Ihr offensichtlich überflüssigster. Kein Wunder, handelt es sich doch um die Geisteswissenschaften. Wozua brauch ma des? In einer Stadt, in der Geist hauptsächlich in Flaschen mit dem 80-Prozent-Strohrum-Etikett daheim ist und in zentral gelegenen Feinkostläden, den Branntweinern für Mozarttouristen, leicht überteuert seiner endgültigen Entsorgung harrt. Womöglich rührt diese Geringschätzung auch nur aus der Geschichte der Geisteswissenschaftlichen Fakultät. Produzierte und provozierte diese doch noch vor 25 bis 15 Jahren etliche politische »Unruhestifter«. Die Gefahr scheint bereinigt. Wo einst die Wände mit Plakaten unzähliger linker Gruppen vollgepflastert waren und jeden Tag Büchertische zum Verweilen und zum an- und aufregenden Disput einluden, herrscht heute bloß zielgerichtetes Strebertum. Gelernt wird nix über das Leben, stattdessen nur standardisierte Skripten und brave Mitschriften. Kritik und prinzipielles Hinterfragen des Wissenschaftsbetriebes oder gar gesellschaftlicher Verhältnisse meidet der konformistische Studiosus. Die unfreiwillige Parodie von Studentenpolitik pickt als Werbung auf dem Kaffeeautomaten: „Diese Maschine bescherte Euch die Aktionsgemeinschaft“ - oder ähnlich unappetitlich. Aber selbst einer unheiligen Allianz aus Duckmäusern und Pseudointellektuellen, wünscht man nicht (oder nur in melancholischen Momenten) in diesen trostlosen Gebäuden lebendig begraben zu sein. Plattenbauten mit grauem Waschbeton, errichtet in der zweiten Hälfte der 60er Jahre, wie sie der wodkabedudeltste DDR-Architekt nicht grausamer hinbekommen hätte. Ursprünglich nur als Provisorium gedacht und für zehn Jahre kommissioniert, wurde damals auch in der „freien Welt“ vor allem kosten- und zeitsparend gebaut. Hauptsache der Kasten war funktionell. Damit ist es jetzt nicht mehr weit her. Innen wie außen machen sich Verfallserscheinungen breit: Risse, Moosbewuchs, freiliegende Leitungen. Nach so viel Elend sucht der Forschende gern Zuflucht in einer Chill-Out-Ecke. Das frühere Buffet, einst berüchtigt für das Noppinger Bier, einer wirklich grausamen Pfütze, jetzt „aufgestiegen“ zum kombinierten Mensa-Buffet, lockt mit buntbemalten Wänden. Und entpuppt sich als veritable Sinnestäuschung. Die farbenfrohen Mauern passen bestenfalls zu einer anderen Geschmacksverirrung: dem farbstoffüberdosierten Plastikfraß.

Derzeit scheint zwischen allen beteiligten Parteien Einigkeit über eine Neugestaltung des inneren Nonntals zu herrschen. Wenn der Bund auch noch seinen Teil vom Fliederbuschen locker machen würde, könnten die Abrißbirnen und die Sprengmeister übernehmen: Dynamit, TNT, Semtex. Egal, Hauptsache die architektonische Arschbombe wird endgültig gezündet.