jänner-februar 2001

Didi Neidhart
geschaut

Big Taxi Oarschange

»Jeder gewinnt, bis einer verliert.« (altes Hollywood-Sprichwort)

»Reality Soaps« gehen mit dem Schmäh des Authentischen, der echten Gefühle (Tränen sind superokay, aber noch vollgeiler sind mit Infrarot-Kameras aufgezeichnete »biologische Kontakte« unter Bettdecken) und des „Sei wer und wie du bist“ hausieren. Daher wird auch immer die gesamte Sippschaft danach ausgefratschelt, ob er/sie im TV-»Menschenzoo« denn auch so ist wie auf freier Wildbahn. Sind sie natürlich alle. Damit das auch so ist, war »Taxi Orange« ganz superschlau und hat sich gleich Schauspieler, Fotomodelle, Sozialarbeiter, Kellnerinnen, Gastwirte und Schilehrer gekrallt. Wer schon »draussen« auf Animation und Rollenspiele geeicht ist, wird »drinnen« auch keinen Scheiss bauen.

Wenn es im TXO-Titelsong „Fahr mit auf der Siegerstrasse“ heisst und beim Finale alle „I am from Austria“ singen und es zeitgleich auf ORF2 den zweiten Teil der vom ORF stark zusammengekürzten »Holocaust«-Dokumentation gibt, dann wissen wir zumindest jetzt genau, wer als Verlierer angesehen wird. Und was der ORF unter »Kulturauftrag« versteht.

Die TXO-Sieger Max & Andrea sind ideale p.c.-Role-Models für die »Neuen Mitte«. Bzw. »Alpha-Tierchen«, wie es in der »Krone« zu lesen war. Ist doch Andrea nur voll gegen Temelin und hat Max schon immer betont, dass er, sollte er siegen, sein Preisgeld spenden will. An Kinder. Was sonst? An die »Demokratische Offensive«? Karitative Humanismuskeule rules! Damit hat er nicht nur sich selbst den Weg zum Sieg geebnet (er wurde zuvor von Andrea extra deswegen nicht rausgewählt). Maxens Kinderscheck also! Das hat er gut bei »Big Brother« abgeschaut, wo beim Finale der ersten Staffel der Zweitplazierte seinen Teil am Kuchen auch an Kinder spendete. Die solcherart überrumpelte Drittplazierte konnte daher die Frage des Moderators, ob sie es denn in Sachen BB-Kinderscheck ähnlich halte, nur noch mit „Ja“ beantworten. Wodurch rückwirkend dieser humanitäre Zweck alle Mittel heiligte, mit denen BB und TXO ihre »echte Menschen-TV«-Eleminationsspiele betreiben. Wenn die NATO aus Versehen irgendwo wieder ein Krankenhaus niederbombt, verspricht sie danach auch den Bau eines High-Tech-Hospitals.

Und wo bleibt bei all dem das Subversive? Jedenfalls nicht im Kulturpessimismus eines Thomas Gottschalk, der plötzlich glaubt, immer schon ein »Linker« gewesen zu sein (lange Haare, provozierende Oufits) und demnächst wohl bei »Wetten dass?« nur noch Kandidaten einlädt, die sich auf Fußnoten aus dem Gesamtwerk von Adorno spezialisiert haben. Dann schon eher BB-Superstars wie Zlatko und dem »Nominator« Christian. Beide kriegen „die Krätze“, wenn sie ihre MitinsassInnen von »Selbsterfahrung« tiefschürfen hören. Beide sagen klar „Ich wollte die Kohle“ bzw. „Ich will Star werden“. Vielleicht haut ja gerade hier das mit der affirmativen Überidentifikation noch irgendwie hin. Zumindest reden sie Klartext. Christians „Es ist geil ein Arschloch zu sein“ stürmte in Nullkommanix die deutschen Charts. So was eint nicht nur die Nation. Es macht auch klar, womit sich die meisten wirklich identifizieren können.

Didi Neidhart