jänner-februar 2001

Thomas Neuhold

„Wir gehen, bis sie gehen!“

Die Aktionen der »Widerstandsbewegung« gegen »die Regierung der Lumpenbourgeoisie« gehen weiter.

Nach der Grossdemonstration gegen die Rechtsaussen-Regierung im Februar werden sich die Proteste der Alt-68er und der Internet-Generation schon legen. Diese Hoffnung des kleinen Mannes, der so gerne Kanzler spielt, hat sich nicht erfüllt. Seit 24. Februar gehen jeden Donnerstag in Wien die Menschen gegen „die Regierung der Lumpenbourgeoisie“, wie sie von einer heimischen Wochenzeitschrift einmal genannt wurde, auf die Strasse: »Wir gehen, bis sie gehen!« Offiziell wurde in Österreich von Februar bis November vergangenen Jahres 217 mal gegen schwarz-blau demonstriert. Die vielen kleinen Aktionen nicht eingerechnet.

Nur nebenbei: Auch »das Ausland« gibt keine Ruhe. Gegenüber dem Nachrichtenmagazin »Format« betonte der Premier Luxemburgs, Jean-Claude-Juncker, Mitte Dezember, dass nach Ende der diplomatischen Massnahmen gegen die Bundesregierung kein Normalzustand hergestellt ist. Die Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen dürfe man nicht banalisieren. Der Mann ist übrigens Christdemokrat.

ÖVP wird blauer

Rund um die »Sanktionen«, wie auch rund um die Aktionen der Gegner des schwarz-blauen Regimes wurde und wird eines deutlich: Nicht die ÖVP ist es, welche die FPÖ-Kameraden zivilisiert, sondern umgekehrt färben Inhalte und Wortwahl der Humps und Dumps zunehmend auf die Konservativen ab. Zuletzt war dies rund um die Blockadeaktionen am 5. Dezember 2000 zu beobachten. Beinahe wortident wurde von den beiden Klubobleuten gegen die DemonstrantInnen gehetzt, und das Demonstrationsrecht in Frage gestellt. Im übrigen genau von den Leuten, welche die Grenzblockaden gegen den Nachbarstaat Tschechien staatlich unterstützen, wenn nicht sogar bestellen.

Auch die Angriffe der Freiheitlichen auf die Grundfesten der bürgerlichen Demokratie - wie die Gewaltenteilung - werden von den Schwarzen nicht zurückgewiesen. Wer auf die mahnenden Stimmen der Liberalen in der Volkspartei oder auf christlichen Anstand gehofft hat, wurde enttäuscht. Bei einer »Blindverkostung« wäre zwischen ÖVP und FPÖ oft kaum mehr ein Unterschied zu bemerken.

Umstrittene Blockaden

So gesehen waren die österreichweiten Strassensperren an den zahlreichen Checkpoints ein Erfolg.

Selten zuvor hatten VP-Klubchef Andreas Khol und sein FP-Kamerad Peter Westenthaler die sie verbindende Gesinnung so deutlich gezeigt, wie an jenem Krampustag, an dem die Larve fiel. Abgesehen davon aber war die Aktion nicht gerade eine taktische Meisterleistung. Noch immer sympathisieren für österreichische Verhältnisse erstaunlich viele mit den Regierungsgegnern. Nach einer Umfrage der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft (SWS) glaubt knapp die Hälfte der ÖsterreicherInnen, dass die Demos einiges erreichen können. Knapp

30 Prozent sprechen sich sogar für Kampfmassnahmen aus.

Diese für Österreich überaus erstaunliche Meinungslage, die sich trotz der täglichen Regierungspropaganda von ORF und Kronen-Zeitung hält, ist derzeit noch weitgehend stabil. Aktionen, die vorsätzlich versuchen, arbeitende Menschen zu behindern, fördern die Sympathien für die DemonstrantInnen freilich nicht.

Dazu kommt, dass man/frau Machtdemonstrationen der Marke »Wenn-wir-nur-wollen, legen-wir-das-ganze-Land-lahm« nur dann versuchen soll, wenn sie eine realistische Chance auf Erfolg haben. So kam es aber nur zu einem Zeichen: Es gibt uns noch! Das ist schön, aber zuwenig. Für die kommenden Aktivitäten vor allem rund um den ersten Jahrestag der Machtübernahme werden die AktivistInnen verdammt aufpassen müssen, daß sie nicht ins sektiererische Eck abdriften.