jänner-februar 2001

Stefan Tschandl
grausame orte

fast food

Grelles Licht, beigefarbene Tische im praktischen Einheitsformat und eine Gast-Gastwirt-Beziehung, die auf den Satz „Zum da essen oder mitnehmen?“ beschränkt bleibt. Wer in der Innenstadt auf die Schnelle Hunger und Appetit verjagen möchte, ist in der Getreidegasse gut aufgehoben. Die unverwechselbare, weil standardisierte Innenarchitektur wird auch von den lukullischen Genüssen nicht

übertroffen. Schlappe Brötchen mit Faschiertem und in geringstmöglichen Nuancen wechselndes Beiwerk. (Der Zusammenhang zwischen den für die Produktion dieser Mengen an Fleischlaberl notwendigen Tierfabriken, den von der Agrarindustrie den bemitleidenswerten Paarhufern aufgezwungenen Kannibalismus und dem Wahnsinn bei Tier und Mensch wäre hier fast eine eigene Betrachtung wert.) Eine seit Jahrzehnten gleichgebliebene Beilagenkarte:

Pommes und Cola. Und das in Salzburg und überall anderswo. Corporate Identity in Reinkultur sozusagen. Lediglich die aggressiv bettelnden Tauben im Hinterhof-

Gastgarten gehören da wohl nicht dazu.

Dem grossen amerikanischen Bruder direkt gegenüber fischt die alteingesessene Nordsee nach Laufkundschaft. Auch hier erinnert vieles an die gute Internatsküche.

Zuerst das Plastiktablett, dann geschickt nach dem Besteck geangelt und – anstellen. Nur einen Steinwurf (Gott bewahre!) weiter hat selbige Kette ihren Bauchladen vergrößert, und in direkter Nachbarschaft zu Mozarts Geburtsstätte einen zweigeschossigen Tempel der Meeresfrüchte in die ehrwürdige Gasse gemeisselt. Hinter einer breiten Glasfront räkeln sich zwei prall gefüllte Theken mit ehemaligen Meeresbewohnern in die Tiefe des Raumes. An Beleuchtung wurde auch hier nicht gespart, was angesichts der Lage die Altstadtkommission auf den Plan rief: „Zu grell“, lautete das Urteil. Grell genug offensichtlich, um die kolportierte Monatsmiete von 265.000 Schilling zu lukrieren und einiges darüber hinaus.

Der eindeutige Zusammenhang zwischen Kaugummi und fast food ist aber nur von oben zu ersehen. Ein Blick aus dem dritten Stock auf die Getreidegasse offenbart in etwa fünf platt getretene Kaugummis pro Quadratmeter. Bis sich ihre Anzahl verdichtet und verdichtet – dann steht man direkt vor dem Eingang mit dem großen M über der Tür. Augen auf!