november-dezember 2000

geschaut

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»Unser Heldendenkmal«, »Dietmar Brehm: Perfekt«

Unser

Helden-Denkmal

Auf dem Salzburger Kommunalfriedhof steht ein klobiges Helden-Denkmal. Das wurde anno 1929 mit einem Sinnspruch enthüllt: »Ist jeder ein Stück nur diesen Helden gleich, dann bau'n wir ein glückliches Österreich!« Seltsam ist dabei, dass auch die Kriegsjahre 1939 - 1945 eingemeißelt sind - eine amtliche Tat in der Zweiten Republik. Damit bekommt der Vernichtungskrieg des Nazi-Regimes einen Sinn - und das steht in Widerspruch zur österreichischen Verfassung. Obendrein marschieren seit 1954 auch SS-Veteranen in Formation auf; diese ehren ihre »gefallenen Kameraden der Waffen-SS«, angeführt von Blasmusik, FPÖ und Bischof. Laut Salzburger Polizei ist das ein Volksbrauch und braucht daher nicht als Versammlung angezeigt zu werden.

Beim Helden-Denkmal haben Wolfram Kastner und Freunde erstmals 1996 die Deserteure geehrt, die von der SS ermordet wurden. Doch das war in den Augen der Bundespolizei »ein besonders rücksichtsloses Verhalten«, auch »eine ungerechtfertigte Störung der öffentlichen Ordnung« sowie ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz.

Nun gingen Wolfram Kastner und Gert Kerschbaumer zum Verfassungsgerichtshof. Dieser will nicht erkennen, dass das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz sowie auf Freiheit der Kunst verletzt wird und dass die Polizei gegen das Willkürverbot verstößt. Der Gerichtshof deutet jedoch an, dass die Duldung der SS-Aufmärsche durch die Bundespolizei rechtswidrig sein könnte. Hieraus ließe sich aber kein Recht auf eine gleiche Fehlentscheidung durch die Polizei ableiten. Die Ehrung der ermordeten Deserteure sei »primär eine politische Manifestation« und müsse als Versammlung gehörig angemeldet werden.

Inzwischen hat jedoch die Polizei mehrmals die angemeldete Versammlung untersagt, denn diese wäre eine »Verhöhnung der Gefallenen der beiden Weltkriege« - eine Anmaßung politischer Richterbefugnisse ad infinitum?

Wolfram Kastner hat wiederum eine Trauer-Versammlung angemeldet. Am 1. November 2000, um 9.45 Uhr, wird beim Helden-Denkmal aller ermordeten Opfer gedacht. Die Polizei soll die Trauernden vor den notorischen Anfeindungen schützen. Sollte jedoch die Polizei abermals ein Verbot aussprechen und nur die SS-Veteranen bei ihrer unangemeldeten politischen Manifestation schützen, dann muss der Europäische Gerichtshof angerufen werden. Denn niemand wartet auf das republikanische Wunder, dass die Polizei sich selbst und die Waffen-SS samt pensioniertem Polizeidirektor anzeigt.

Gert Kerschbaumer

Dietmar Brehm: Perfekt

Nach diversen Sammelbänden/Katalogen über den Maler und Zeichner Dietmar Brehm, gibt es mit ”Perfekt” nun endlich auch einen dicken Band über das Filmschaffen, des in Linz lebenden Avantgardekünstlers. Schwerpunkte stellen dabei vor allem Analysen der ”Perfekt”-Trilogie sowie die Serie ”Schwarzer Garten” (u.a. mit Brehm-”Klassikern” wie ”The Murder Mystery”, ”Party, ”Macumba”) dar. Spannend wird es vor allem dann, wenn ein und derselbe Film nicht komplett anders ”interpretiert”, sondern komplett andere Bilder ”gesehen” werden.

”Was man sieht und was gezeigt wird ist in diesem Bereich der Unschärfe nicht identisch, es sind zwei verschiedene Arten des Schreckens und der Schuld. Was ist schrecklicher, das Gezeigte oder das Gesehene?”,so Georg Seesslen. Kein Wunder also, dass dieser Grundthematik in den Arbeiten von Brehm das Hauptaugenmerk geschenkt wird. Gehören doch diese Irritationen optischer Wahrnehmung zu den faszinierendsten Aspekten im Brehm'schen Filmleben. Auch weil simple Brehm-Sätze wie ”die Unschärfe sollte scharf wirken” auf dem Papier nicht annähernd das andeuten, was später auf der Leinwand so alles passieren kann. Diese permanente Dialektik des Blicks und der Wahrnehmungen (die Brehm auch dadurch immer ankurbelt, indem er seine Filme ständig umschneidet), verlangt daher auch eher nach einer ”undichten Brehm-Lektüre” (Robert Buchschwenter), bei der die ”magische Bildebene” zwar ”lesbar ist, aber nicht unbedingt verstehbar ist” (Seesslen). Weshalb hier auch radikal against interpretation gearbeitet wird. Brehms Filme und die durch sie ausgelösten ”Hirnfilme” verweigern sich jeglicher Interpretation. Auch solcher auf Grundlage üblicher Verdächtiger wie Zizek und Deleuze. Die kommen zwar bei Peter Tscherkasskys Beitrag über Found Footage und masochistische (Blick-)Ästhetik und bei Elisabeth Büttners Analyse von ”Schwarzer Garten”vor, fungieren jedoch hauptsächlich als Sprungbretter für diskursive Annäherungen und Detailvergrösserungen mit ungewissem Ausgang. Dass die einzelnen Beiträge beim Versuch der Erstellung einer Art Kartographie der dschungeldurchwachsenen Irrgarten-Bilderwelten von Brehm auch immer wieder scheitern, ist daher auch irgendwie logisch. Tut der Spannung jedoch keinen Abbruch und spricht ganz im Gegenteil eindeutig für die hier betriebene »fröhliche Wissenschaft.«

GOTTFRIED SCHLEMMER (Hg.)

Dietmar Brehm: Perfekt

Sonderzahl 2000

Didi Neidhart