november-dezember 2000

Florian Schwanninger

Freddy Krüger am Studentenbett

Was Studies derzeit träumen müssen

Wir schreiben das Jahr 10 nach Einführung der Studiengebühren. Durch die Gänge der Inskriptionsstelle hallen die schweren Tritte genagelten Schuhwerks. Die in feinstes Tuch gehüllten Erstsemestrigen zücken an den Schaltern der Einzahlungsstellen für Studiengebühren ihre Diners-Club-Karten. Aufgrund der stufenweisen Anpassung an das Gebührenniveau der privaten Universitäten, bewegt sich die Einschreibegebühr zwischen 1.500,– Euro für die von den Unternehmerverbänden gesponserten Fächer wie zum Beispiel Jus, Computerwissenschaften oder Gentechnik und 5000,– Euro für die sogenannten Juxstudien der Geisteswissenschaften, die nun hauptsächlich zur geistigen Erbauung und Unterhaltung wirklicher Hofräte a. D. sowie gelangweilter Charity-Ladies dienen. Diese Studienzweige erfreuen sich denn auch als einzige über einen Frauenanteil von mehr als 10%. Die Einschreibegebühr ermöglicht ebenfalls eine verbilligte Teilnahme an den Aktivitäten des Universitäts-Sportinstituts in den Bereichen Golf (auf dem NaWi-Green hinter Schloß Freisaal), Polo und Mensurfechten. Die Lions-Club-Sektion Universität vormals ÖH logiert im Separée des Sheraton-Bistros und vergibt hier ihre Stamps, die nach Abschaffung der Mensen zu verbilligten Mittagsmenüs in den exquisiten Gourmettempeln der Altstadt verhelfen. Kinder aus Familien der unteren Einkommenskategorien gelangen im besten Fall über das sogenannte Wunderkind-Stipendium an die Universitäten. Dies ermöglicht ihnen auch ein Überspringen der Schulstufen neun bis zwölf, welche seit 2003 ebenfalls nur gegen Entgelt besucht werden können. Für alle anderen working-class-Kids existieren sogenannte Teilzeit-Lehren auf Abruf, wie zum Beispiel Schnellimbiß-System-Gastronom oder Toiletten-Hygiene-Engineering-Management an den Bahnhöfen der nur mehr auf den europäischen Hauptmagistralen verkehrenden Magna-Railways.

Die Diskussionsforen der illegal zirkulierenden Alternativzeitungen, die wilde Untergrundnamen wie Der Neue Standard oder Flyer (vulgo Falter) führen, sind immer noch gefüllt mit den Debatten zur Frage, wie denn auf den heissen Herbst 2000 der kalte Frühling 2001 folgen konnte. Dabei hatte es am Anfang doch so ausgesehen, als würde sich Widerstand gegen den forcierten Bildungs- und Sozialabbau auf breiter Basis entwickeln. In besagten Underground-Medien, welche nach dem Wegfall der verbilligten Versandtarife der Post - jetzt max.mail - in subversiven Zirkeln unter dem Tisch von Angehörigen der Alt-Internet-Generation von Hand zu Hand weitergereicht werden, herrscht die Meinung vor, dass vor allem zwei taktische Fehlentscheidungen zu diesem Debakel führten. Zum einen der Zusammenbruch des gewerkschaftlichen Widerstandes, beginnend mit der Einigung zwischen der Führung der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und der damaligen Regierung, sowie der handzahmen Politik der seinerzeitigen Studierendenvertretung. Die Gewerkschaften, die heute eine serviceorientierte Vorfeldorganisation des AMS darstellen, schwenkten damals fatalerweise eine nach der anderen auf den Kuschelkurs der GÖD ein. Dies hatte den absoluten Vertrauensverlust der Basis zur Folge, was dem sozialpolitischen Raubzug der Regierung Tür und Tor öffnete. Das damals von fortschrittlichen Kräften angepeilte Bündnis aller von den Regierungsmaßnahmen Getroffenen, wurde durch ein geschicktes Manövrieren der Regierung nach dem Prinzip teile und herrsche unterminiert. Die resignative Zustimmung der damaligen ÖH-Führung zu sozial abgefederten Studiengebühren versetzte die studentische Masse in Lethargie und erstickte jeglichen organisierten Protest. Das unerwartete Ausbleiben dieses Widerstandes nahm die Regierung zum Anlass, ihren dem Sozialdarwinismus verpflichteten bildungspolitischen Kahlschlag nach dem Motto speed kills von Semester zu Semester zu verschärfen.

Die in Folge von Spitzelaffären im Jahre 2003 abgewählte blau-schwarze Koalition wurde schließlich durch die PNM (Partei der Neuen Mitte) ersetzt, welche diese Politik im Sinne eines nationalen Schulterschlusses bis heute fortsetzt.

Schweißgebadet öffne ich meine verschlafenen Augen und taumle zum Fenster. Der Lärm der Studierendendemos treibt mir den Schlaf aus dem Kopf und den Gliedern. Gott sei Dank. Es war nur ein böser Traum...