november-dezember 2000

Ulrike Körbitz

Die Haider-Show

Klaus Ottomeyers Buch über die »Psycho-Politik der FPÖ«

Der Autor, seit 1983 aus Berlin zugezogener Wahl-Kärtner und Professor für Sozialpsychologie, beobachtet den gleichfalls in Kärnten ansässig gewordenen, aus Oberösterreich zugewanderten Jörg Haider seit vielen Jahren. Den Rahmen dafür bildet ein von Ottomeyer begründeter Forschungsschwerpunkt zur Sozialpsychologie des Rechtsextremismus. Die Frage, ob Haider’s FPÖ eine rechtsextreme Partei ist, bewegt spätestens nach deren Regierungsbeteiligung ganz Europa. Mit Humor und ambitioniertem Forschergeist arbeitet sich Ottomeyer - mitunter wie ein Ethnologe - durch eine Fülle von vielfältigem Material (Reden, Interview-Texte, Anzeigen, Plakate...). Seine Antwort auf die oben erwähnte Frage ordnet der Autor folgendermaßen: Jörg Haider - er wollte in jungen Jahren übrigens tatsächlich Schauspieler werden - fesselt sein Publikum mit populistischen Vorderbühnen-Inszenierungen; sie können dessen rechtextreme Identifizierung zugleich verhüllen und verstärken. Zu diesen Inszenierungen gehören drei Rollen:

Robin-Hood: Haider als Sozialrebell. An diese Figur werden Hoffnungen und Racheimpulse der >kleinen Leute< delegiert, die sich gegen ihre Unterordnung und Ausbeutung nicht wehren. »Normalerweise ist der Übergang von der Rebellion zur Regierungsmacht die Nagelprobe für die Glaubhaftigkeit der Robin-Hood-Inszenierung. Haider hat aber derzeit trotz der Regierungsbeteiligung der FPÖ gute Chancen, weiterhin den Rächer der Enterbten zu spielen. Wenn er Landeshauptmann in Kärnten bleibt, fungiert dieses Bundesland als eine noch im Befreiungskampf befindliche Rebellenzone.«

Der sportliche Neo-Macho: Er verspricht klare Männer- und Frauenrollen, lädt zur Verachtung der Schwachen ein und fördert bei beiden Geschlechtern die schwärmerische Verliebtheit in einen Führer, bei der die kritischen Instanzen auf der Strecke bleiben.

Der Bierzelt-Sozialist und die symbolische Überwindung der Klassengesellschaft: Trotz vehementer Verfechtung einer neo-liberalen Wirtschaftspolitik begibt sich Haider vor laufender Kamera regelmässig in die Nähe des >kleinen Mannes<, bezeichnete sich selbst als Nachfolger von Sozialisten wie Victor Adler und Bruno Kreisky, agiert kumpelhaft als der bessere Arbeiterführer, als der Anwalt der >Anständigen und Fleissigen<, »während draussen, in Gestalt dunkler Figuren, Faulheit und Arbeitsunwille herumlungern.«

Zu diesen, wie Kostümierungen einsetzbaren, flexiblen Rollen-Inszenierungen gesellt sich nach Ansicht des Autors bei Haider, »(..) eine stabile und grundlegende rechtsextreme Teilidentität, die aus Haiders Identifikation mit der >Kriegsgeneration<, den deutschen Soldaten und ihren Familien, inklusive der Waffen-SS, resultiert. Mit dieser Teilidentität oder Identifizierung kann Haider überhaupt nicht flexibel und kontrolliert umgehen, sie beherrscht und verfolgt ihn.«

Sein Vater war vor 1934 ein früher, illegaler, nach 1938 dann >legaler< Nationalsozialist, der »nach dem Zweiten Weltkrieg in ein nie abgeschlossenes Verfahren wegen der Ermordung eines österreichischen Exekutivbeamten verwickelt war.« Der Beamte kam 1934 ums Leben. Haiders Mutter war nach dem Anschluß Österreichs Nazi-Funktionärin. »Der Auftrag der Elternrehabilitation, die >unerledigten Geschäfte<, die damit zusammenhängen, und seine Gefallsucht in Bezug auf die >Soldatengeneration< lassen Haider oft unkontrolliert und wie unter Zwang agieren.« Ohne jede äussere Notwendigkeit eilte er im Oktober 1995 bei einer geschlossenen Versammlung von ehemaligen Mitgliedern der Waffen-SS in Krumpendorf ans Mikrofon, um die Versammelten als >anständige Menschen< und als Vorbild für die Jugend zu loben.