november-dezember 2000

Jan Carlsen

Das Ende der Medienfreiheit

Politische Gängelung durch schwarz-blau und ökonomische Konzentration am Printsektor

Erinnern Sie sich noch an jenen Tag im September, als der sogenannte ðWeisenberichtÐ und mit diesem ein Ende der diplomatischen Maßnahmen der EU-14 gegen die schwarz-blaue Bundesregierung bekannt wurde? Da lieferte uns der ORF Bilder, die wir in jüngerer Vergangenheit nur von den Regimes in Belgrad oder Zagreb kannten. Während der Hauptsendezeit übertrug der ORF live – also unredigiert – die Reden von Kanzler Wolfgang Schüssel und seiner Stellvertreterin Susanne Riess-Passer zum Thema. Getarnt war das Propagandaspektakel als Übertragung einer Pressekonferenz.

Keine Frage, es ist gerade für die öffentlich-rechtlichen Sender Pflicht, politisch wichtige Ereignisse wie das Genannte mit Sondersendungen zu bedenken. Nachrichtensendungen nach westlich-demokratischem Standard bedürfen aber redaktioneller Bearbeitung, bedürfen also neben der Wiedergabe der Regierungsposition auch der Wiedergabe von Stellungnahmen aus dem Ausland, von gesellschaftlichen Kräften - beispielsweise der Gewerkschaften oder der Kirchen - und nicht zuletzt natürlich auch der Wiedergabe von Meinungen aus den Oppositionsparteien. ARD und ZDF hätten genau das getan. Das Belgrader Staatsfernsehen wohl nicht.

Es ist anzunehmen, dass sich die Mehrheit der Redakteure des ORF über die Tragweite solcher Vorgänge durchaus im Klaren ist. Ihnen sind aber die Hände gebunden. Schwarz und Blau verfügen zwar nur über 54 Prozent im Nationalrat, aber sie haben eine 65 Prozent-Mehrheit im ORF-Kuratorium. Gerade rechte Scharfmacher wie die Klubobmänner Peter Westenthaler (FPÖ) und Andreas Khol (ÖVP) sind offensichtlich gewillt,

diese Mehrheit auch skrupellos einzusetzen.

Nach westlich-demokratischem Verständnis ist eine politische Gängelung von staatlichen Rundfunkanstalten mit modernen demokratischen Prinzipien nicht vereinbar. Geschieht sie doch, wird in der Theorie gerne auf den korrigierenden Einfluß der privaten Konkurrenz, beziehungsweise des Printsektors verwiesen. Beide Korrektive fehlen in Österreich völlig. Privatfernsehen ist hierzulande praktisch nicht existent, und der Zeitungs- und Medienbereich derart monopolisiert, dass der polemische Verweis auf Nordkoreas Kim Jong Il beinahe schon das Attribut ðPolemikÐ verliert.

Der ökonomische Zusammenschluß der großen österreichischen Magazintitel ðprofilÐ, ðtrendÐ, ðformatÐ und ðnewsÐ und die erdrückende Vormachtstellung der ðKrone-Kurier-WAZÐ-Gruppe hat eine demokratiepolitisch nicht tolerierbare Konzentration geschaffen. Man stelle sich einmal vor: Ein/e MagazinjournalistIn will oder muß aus inhaltlichen oder ökonomischen Gründen ðformatÐ verlassen. Früher hätte er/sie vielleicht zum ðprofilÐ wechseln können. Heute verläßt er/sie eine Redaktionsstube und verhandelt beim anderen Magazintitel wieder mit den selben Eigentümern. Ergänzt wird dieses Szenario noch durch das Reichweitenmonopol der ðKroneÐ und von der Funktion des Regierungsorgans, welche dem zweitgrößten überregionalen ðQualitätsblattÐ, ðDie PresseÐ, zugeteilt wurde.

Damit aber nicht genug.

Die Freiheitlichen decken ihre Kritiker mit einer Flut an Klagen ein. Dass die klagsführende Anwaltskanzlei den Namen des Justizministers führt, ist zwar legal, hat aber mit westlich-demokratischen Prinzipien wenig gemein. Der für die FP-Klagen zuständige Medienrichter ist übrigens ein Vertrauensmann der FPÖ. Belgrad und Zagreb lassen grüßen.

ðKurierÐ-Chefredakteur Peter Rabl ist mit Sicherheit über jeden Verdacht erhaben, zu den ðlinken VernaderernÐ zu gehören. Aber selbst er schreibt: »Tatsächlich hat sich die Taktik der Freiheitlichen, (...), zu einer demokratiegefährdend kritischen Masse verdichtet.« Was Rabl nicht schreibt: Die ÖVP ist Teil dieser antidemokratischen Wende. Und: Sie hat die autoritäre Wende erst ermöglicht.