november-dezember 2000

gelesen

gelesen SPEZIAL

Bücher zum kunstfehler-Schwerpunkt

SEARCHLIGHT/ANTIFASCHISTISCHES INFOBLATT/ENOUGH IS ENOUGH/RAT (Hrsg.)

White Noise

reihe antifaschistischer texte UNRAST-Verlag,

Hamburg/Münster 2000

DAS Standardwerk zu White Noise, so der Oberbegriff für neonazistische Rockmusik. Initiiert von der britischen Antifa-Organisation Searchlight, beschreiben verschiedene Autoren die historischen Wurzeln der Skinhead-Bewegung, ihre Blood & Honour-Netzwerke in Deutschland, Polen, Schweden, Großbritannien und den USA, die ungehinderte Verbreitung ihrer rassistischen Musik im Internet, sowie die Bands und Vertriebsstrukturen dieser üblen Szene. Hate-Core wird weniger als Ausdruck einer spezifischen (Un)Kultur, denn als Geschäft, in dem Millionenumsätze gemacht werden, verstanden. Die Rekrutierung neuer Mitglieder, laut aktuellem deutschen Verfassungsschutzbericht hauptsächlich über Konzerte bewerkstelligt, ist da der unappetitliche Nebeneffekt.

DOC HOLLIDAY

WALTER ÖTSCH

Haider Light

Czernin Verlag, Wien 2000

Bücher über Jörg Haider haben derzeit Konjunktur. Der Linzer Volkswirtschafter und Kommunikationstrainer Walter Ötsch legt ein Handbuch für Demagogie (so der Untertitel) vor, in dem in 100 Ratschlägen die Mechanismen einer Verführung durch Sprache erklärt werden. »Erfinden Sie ein einfaches Weltbild«, »schaffen Sie sich eine sektenähnliche Organisation«, »führen Sie« lauten die wichtigsten Schritte. Theoretisch kann sich so jeder Leser seine eigene populistische Partei basteln. Die Bedeutung rhetorischer Kniffe, medialer Präsenz und Inszenierung in der Politik kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Eine Analyse der Kommunikationsstrategien ist zweifellos nützlich, aber zur Erklärung des Phänomens Haider-FPÖ alleine nicht ausreichend.

DOC HOLLIDAY

HERMANN L. GREMLIZA (HG.) Braunbuch Österreich

Ein Nazi kommt selten allein

konkret texte 26, Hamburg 2000

Da frägt sich (und uns) der große KONKRET-Häuptling: »Wer also braucht den Nazi? Und wozu? Die Österreicher haben geantwortet: zur Überführung der luxuriösen Sozialpartnerschaft in eine kostensparende Volksgemeinschaft. Der Nazi rettet die Demokratie – um den Preis, daß die Demokraten Nazis werden.«

Dieser pointierten Analyse schließt sich ein Potpourri von Autoren an, die u. a. den Zusammenhang von Arisierung und wirtschaftlichen Wiederaufschwung, die Geschichte der FPÖ und den künstlerischen Widerstand gegen die blau-schwarze Regierung behandeln. Ein polemischer Genuss!

Wolfgang Karlhuber

Renate Bitzan

Selbstbilder rechter Frauen

Zwischen Antisexismus und

völkischem Denken

Edition Diskord, 2000

Die lange Zeit unhinterfragte These, Rechtsextremismus sei ein ausschließliches Männerproblem, gilt als überholt, nachdem sich zeigt, dass immer mehr junge Frauen in rechtsextremen Organisationen aktiv werden. In ihrer Studie untersucht die Göttinger Sozialwissenschaftlerin Renate Bitzan die Beiträge von Frauen in der rechten Presse. Besonders beunruhigend ist das Ergebnis ihrer Analyse: Das konservative Frauenbild vom Heimchen am Herd hat sich hier längst gewandelt. Die Positionen rechter Autorinnen weisen durchaus Überschneidungen zu feministischen Ansätzen auf, Rassismus und Nationalismus gehen hier Hand in Hand mit Patriarchatskritik.

Ein lesenswertes Handbuch über das wenig bekannte weibliche Terrain am rechten Rand.

Ulrike Ramsauer