november-dezember 2000

Doc Holliday
kommentar

Bagatellisieren und Verharmlosen

Eine schwere Form von Realitätsverweigerung bestimmt die seit einigen Monaten auch in Österreich geführte Diskussion über rechtsextreme Gewalt in Deutschland.

Tatsache ist: Bei unseren Nachbarn häufen sich brutale Übergriffe und Hetzjagden auf Ausländer, Juden, Linke, Punks, Obdachlose und sogar Behinderte in einem unerträglichen Maß. Über 120 Menschen wurden seit der deutschen Wiedervereinigung vom völkisch-nationalen Mob getötet. Zu diesen skandalösen Zuständen kamen aus Österreich in erster Linie hämische Kommentare: von wegen vor der eigenen Tür kehren und nicht unsere Insel der Seligen anpatzen. Dabei ist hierzulande mehr als nur das Potential für rassistisch motivierte Gewalt vorhanden. Sie geschieht auch.

Bloss, dass sich Sicherheitsorgane in vielen Fällen weigern, diesen Straftaten einen rechtsextremistischen Hintergrund zuzuordnen. Das gilt für Prügeleien von Skins ebenso wie beim Briefbombenattentäter Franz Fuchs. Der firmiert in der offiziellen Statistik als »verwirrter Einzeltäter«, der »nicht ins Nazi-Eck gehört«. Als hätte der Kämpfer gegen Überfremdung nicht allein schon durch seine Bekennerbriefe, den Mord an vier Roma in Oberwart und die Parolen im Gerichtssaal zur Genüge bewiesen, wes Geistes Kind er tatsächlich war.

Ein bestimmtes politisches Klima und der alltägliche Stammtisch-Rassismus der Fleißigen und Anständigen schafft erst das Umfeld für rechte Gewalt. Davor die Augen zu verschliessen, es schlichtweg zu leugnen, ist wohl politisches Kalkül. Die Strategie der Bagatellisierung nützt der kollektiven Psyche der österreichischen Verdräng- ungsweltmeister und den Unschuldslämmern, die mit billigen Ressentiments Politik machen.

Wenn es aber einmal paßt, werden sich die frustrierten und berauschten Schläger schon instrumentalisieren lassen, damit aus ihrem Hobby wieder ein Volkssport wird.