november-dezember 2000

Doc Holliday
grausame orte

Volksheim

Alle Räder stehen still, wenn unsere Parteizentrale nicht will. Keine Neuigkeiten vom Bauvolk der kommenden Welt. Überall bröckelt der Putz von den grauen Mauern, und der Geruch, der aus den Toiletten entweicht, erinnert an Aborte auf dem Münchner Oktoberfest. Nur dass dort der Besucherandrang unerheblich höher ist. Die Massen sind bekanntlich (derzeit) nicht unbedingt im Lager, oder besser: im Haus der Kommunistischen Partei zu finden. Von selbigem, dem Volksheim in der Salzburger Elisabethvorstadt, ist hier die Rede. Ende der 40er Jahre von heroischen GenossInnen aus den Trümmern des Tausendjährigen Reiches gebaut, hat das antikapitalistische Bollwerk seine besten Tage hinter sich. Mit dem letzten Höhepunkt wohl in den 70er Jahren, als eine umtriebige Jugendbewegung das Haus für Veranstaltungen nutzte. Legendäre KSV-Feste gaben den Rahmen für leidenschaftliche Diskussionen innerhalb der Linken - Doppleranarchie gegen Parteidisziplin. Konzerte boten nicht nur Parteiliedgut, sondern - zu einer Zeit als in Salzburg jugendkulturell tote Hose herrschte - eine Vielzahl von hervorragenden Rock- und Jazzgruppen.

Der Plan einer Revitalisierung des Hauses mit einer Nutzung als sozio-kulturelles Zentrum geistert jetzt schon etliche Jahre in den Gemäuern herum. Hauptproponent dieser Idee ist der Konzertveranstalter Andi Neumayer, der seine ambitionierte Reihe ðJazz im TheaterÐ endlich an einem fixen Ort etablieren möchte. Immerhin hat er seit eineinhalb Jahren ein Büro im Haus. Sonst hat sich, ausser periodisch wiederkehrenden Absichtserklärungen, nichts getan. Dabei hat Neumayer einen Sponsor aufgetan. Josef Sigl von der Trumer Brauerei, der einen Teil der anstehenden Sanierungskosten und die gastronomische Bewirtschaftung des Festsaals übernehmen würde. Die KPÖ aber verfolgt einen undurchsichtigen Kurs: Während in Wien oder Graz sehr wohl in Lokale investiert und das Volksstimmefest subventioniert wird, verweigert die Wiener Parteizentrale den Salzburger Genossen die nötige Marie. Im Gegenteil: Vom Geld aus einem Grundstücksverkauf, das eigentlich einen Teil der Sanierungsmaßnahmen hätte finanzieren sollen, fehlt jede Spur. ðVolksheim-HausmeisterÐ Josef Enzendorfer, dem die Sisyphusarbeit der ðInstandhaltungÐ aufgebürdet wird, huscht weiterhin als Einmann-Brigade durch die baufälligen Gemäuer. Die Partei aber scheint wieder einmal eine Chance zu verschlafen: Den Sprung auf einen subkulturellen Zug, der der KPÖ ein moderneres Image und die Öffnung für neue Wähler- und Sympathisantenschichten ermöglichen könnte. Stattdessen bleibt die Avantgarde der Weltrevolution lieber im selbstgehäkelten, gemütlichen Ghetto der Bedeutungslosigkeit. Nur nix riskieren.