september-oktober 2000

Ronald Polt
geschaut

Meine zweite Weisung

Die erste Weisung erteilt der ehemalige Landeshauptmann-Stellvertreter von Kärnten, Karl-Heinz Grasser von der FPÖ; er läßt eine 1995 installierte Kreisverkehrsgestaltung, nachdem die Reaktionen darauf offensichtlich nicht volksnah genug waren, ein Jahr später entfernen.

Die zweite Weisung erteilt der amtierende Bürgermeister von Salzburg, Heinz Schaden von der SPÖ; die Abbildung von mir konzipierter Plakate, als Kunst-im-öffentlichen-Raum-Projekt in der Stadt affichiert, die sich mit deutschnationaler Geschichte, NS-Kunst und dem jeweiligen Sprachgebrauch im Salzburger Kontext beschäftigen, in der August-Nummer der STADT:ZEITUNG wird von ihm verhindert.

Von der ersten Aktion war ich nicht allzu überrascht, hatte man doch seit Jahren vor Augen und in den Ohren, was die FPÖ unter Kunst und Kultur versteht. Hier kommt vor allem der Haß auf eine nie rezipierte und daher unverstandene (oder umgekehrt) Moderne zu sich selbst. Nachdem genügend auf den KünstlerInnen als einer Minderheit unter vielen anderen, herumgetrampelt worden ist, versteht es sich für den Spießer und seine Gesinnungsgenossen dann von selbst, dass von denen niemand zu den Anständigen und Tüchtigen zählt, im Gegenteil, das phantasmierte Bedrohungspotential dieser Anderen ist seitens der eigenen Führer ständig demagogisch aktivierbar.

Kein Grund zum Verzweifeln: das wesentlichste Element der Bewegten ist ihre Bewegungslosigkeit, weshalb sie auch keine Zukunft haben. Entscheidende Begriffe der Aufklärung, und damit wieder der Moderne, wie Vernunft, Selbstkritik, Dialektik scheinen an ihnen vorbeigegangen zu sein, wodurch sich etwas Atavistisches, Gestriges an ihnen zeigt: als Wahrnehmungsstörung. Wer den Anderen neben sich, oder sich selbst als Anderen nicht wahrnehmen kann, dessen Psycho-Logik dürfte im evolutionären Off enden. Gegen diese Störung hilft einstweilen nur die Permanenz der vernünftigen Anstrengung.

Ist es mit der FPÖ als einer neo- und pseudoliberalen Partei im engen Korsett von "law and order" in der Theorie recht einfach, schwierig aber in der Praxis, weil man nicht genau entscheiden kann, bringt sie ein solches Land hervor oder bringt dieses Land sie hervor, ist die Lage bei der SPÖ viel schwieriger. Hier denke ich an Thomas Bernhard, der "Die Ursache" "Eine Andeutung" genannt hat.

Die zweite Aktion traf mich unvorbereitet, war doch alles argumentiert, besprochen worden, konnte aufgrund finanzieller Förderung zumindest rudimentäres Interesse an den durch das Plakat angesprochenen Inhalten vermutet werden. Ziel war es, viele Menschen ins Bild zu setzen.

Das gegenwärtige Szenario ist doch etwa Folgendes: seit Antritt der neuen Regierung wird, maßgeblich initiiert durch das Ausland, also gegen das explizite Ruhebedürfnis einer Mehrheit von ÖsterreicherInnen, deutlich wie nie zuvor aufgezeigt, welche Unsäglichkeiten bezüglich der Aufarbeitung verschiedener Vergangenheiten sich in diesem Land angesammelt haben. Dem fiskalischen Defizit steht ein viel schlimmeres moralisches gegenüber. In einer solchen Situation, nachdem sich sogar die für sakrosankt gehaltene SPÖ Asche auf's Haupt gestreut hat, untersagt einer ihrer Mandatare die Verbreitung von Inhalten genau jener Art, deren Bearbeitung dringend Not täte.

Ich denke: "Metternich", "Obrigkeitsstaat", und es beginnt mir zu grausen, lähmende Müdigkeit breitet sich aus und ich möchte in die innere Emigration gehen um über eine wirkliche nachzudenken. Sagte doch schon der Lehrer früher in der Schule drohend-triumphierend, "Wem es hier nicht passt, der kann ja gehen", ein angesichts unserer Alternativlosigkeit durchaus sadistischer Satz. Und schon drängt ein weiterer nach: "Die Politiker leben in einer Scheinwelt, und die echte Macht liegt im Prinzip bei denen, die in der Wirtschaft eine führene Rolle spielen!" (Bruno Kreisky, 1975).

Die besagte STADT:ZEITUNG stellt sich schon im Titel "Salzburg feiert!" als jubelnde Propagandabroschüre jener einzig heute übrig gebliebenen Ideologie des Marktes und des Boulevards heraus. Fast unnötig zu sagen, dass sich auch hier ein entsprechender, nämlich korrumpierter Gebrauch von Sprache manifestiert. Von der "...starken Marke Salzburg" geht es zu "Wenn Makart die Altstadt küsst", von da zur "Kultur als ein wertvoller Schatz", über diverse Publikumslieblinge inklusive bemalten Kühen (!) zu "Die Salzburger für die eigene Geschichte begeistern" (sic !!!), und über einen "Kunstvogel" zum krönenden "Wer hat das beste Hinterteil?". Aber man ist durchaus zu sinistren und differenzierenden Tönen fähig: bevor dem Bürgermeister speichelleckerisch "...großes Lob..." übermittelt wird, kann ein biblisches "Fürchtet Euch nicht!" die Schäfchen beruhigen, und wenn "Große Kunst!" naht, bleibt einem in der Provinz das Maul offen: "Schau". Aber, es soll nichts vorenthalten werden: die sommerliche, für fast jeden Zweck zur gnadenlosen Vermarktung aufgeschminkte und aufschminkbare Kunst-Stadt bringt es in manchen Gehirnen auch zur allerhöchsten Geistesblüte: "Ist der Gedanke an Kunst schon ein Kunstgedanke oder nur die Kunst zu denken?"

Zu solchem Differenzierungsvermögen gelangt in diesem Land nur, wer, wie viele Mitarbeiter des erwähnten Blattes, in die Schule der Kronenzeitung gegangen ist.

Noch zwei Nachträge. Ein kürzlich aus der Verdrängung zu neuer Aktualität gelangter Spruch lautet in Salzburg nur ein wenig anders, nämlich: "Unsere Ehre hieß Treue." Wo? An der Jahnturnhalle, derzeit allerdings von einer Plakatwand überdeckt.

Das letzte Wort der Kunst: "Im Sommer wird unter dem Namen Salzburger Festspiele in dieser Stadt Universalität geheuchelt und das Mittel der sogenannten Weltkunst ist nur ein Mittel, über diesen Ungeist als Perversität wegzutäuschen, wie alles in den Sommern hier nur ein Wegtäuschen und ein Wegheucheln und ein Wegmusizieren und Wegspielen ist, die sogenannte Hohe Kunst wird in diesen Sommern von dieser Stadt und ihren Einwohnern für nichts anderes als ihre gemeinen Geschäftszwecke missbraucht, die Festspiele werden aufgezogen, um den Morast dieser Stadt für Monate zuzudecken." (Bernhard, Die Ursache, Eine Andeutung.)

Ronald Polt