september-oktober 2000

Gerald Raunig

Des Kanzlers Musketiere

Österreichs Medienintellektuelle werden zum Ritter geschlagen statt getortet

Rudolf Burger, Konrad Paul Liessmann und Robert Menasse werden zur Geburtstagsjause ins Bundeskanzleramt eingeladen. Sämtliche Glocken läuten. Bei denen, die noch hören. Der Vorsitzende einer Regierung, der fast alle Repräsentationsauftritte im kulturellen Feld verweigert werden, lädt genau diejenigen wenigen zu sich, die in den radikalapologetischen Reden von Regierungsmitgliedern regelmäßig als einzige Beispiele kritischer Intelligenz zitiert werden, die der "Wende" etwas Positives abgewinnen können.

Die drei Vorzeigephilosophen arbeiten allerdings schon längere Zeit darauf hin, in die Geschichtsbücher als intellektuelle Begleiter der Etablierung von Rechtsrechts einzugehen: "Ein Kanzler Schüssel stünde für seriöse Kontinuität ..." (Menasse, 2. 10. 1999) oder: "Eine Koalition mit Haider sollte man tunlichst vermeiden, aber wenn man sie eingeht, wäre dies auch kein großes Malheur." (Burger, 11. 12. 1999)

Und schließlich Liessmann, in spürbarer Verehrung die geniale Verzögerungsstrategie des nachmaligen Bundeskanzlers nachzeichnend: "Zeit gewinnen und eine Situation schaffen, in der die Beendigung der immer ermüdender werdenden Distanzierungsrituale gegenüber Haider nahezu als Befreiungsschlag empfunden werden konnte." (26. 1. 2000) Was für eine Befreiung!

Robert Menasse nimmt die Einladung zur Geburtstagsjause nicht an. Burger und Liessmann sind taub. Treffen im Ministerratssaal u.a. auch ihren prominenteren Philosophenkollegen Peter Sloterdijk. Der hat auch schon vor Monaten das getan, was von ihm erwartet wird, wozu Intellektuelle ja auch da sind: Nämlich vollmundig zu formulieren, was die Regierung hören will. In diesem Fall gegen die Maßnahmen der EU-14. "Eine konzertierte Aktion des moralisierenden Dilettantismus" sei das, eine "semantische Luftschutzübung einer zivilreligiösen Gesellschaft". Da sage noch einer, Philosophie sei unnütz! Die unsrigen Herren Philosophen haben sich derweil eher aufs Antifaschismus-Bashing spezialisiert, auf die wortgewaltigen Kampagnen gegen den Moralis- mus der Gutmenschen, auf die Verleugnung, dass bei uns sowas wie Rassismus existiert und auf die laute Litanei gegen etwas, das sie Alarmismus nennen.

Pierre Bourdieu lacht sich ins Fäustchen, dass es doch noch idealere Kandidaten für seine Begriffe des "negativen" und des "Medien-Intellektuellen" gibt als daheim in Paris Bernard-Henri Lévy. Der wurde allerdings weniger oft zu Geburtstagsjausen eingeladen als Opfer der Tortungen des berühmtesten aller Tortenwerfer. Österreich ist anders. Bei uns kommt Lévy ohne Tortung auf die Bühne der Antiregierungsdemo am Heldenplatz und vom Bundeskanzler wird geadelt, wer sich untertänig zeigt: nämlich zum Ritter von "Schüssels Tafelrunde" (© profil). Nachteil: Von soviel Alarmismus-Glockenschlagen wird man leicht taub...

Für seriösere Analysen zur Thematik vgl. Gerald Raunig, Süßstoffland ist abgebrannt. Österreich im Zeitalter des Zuckers, in: Philosophie in Aktion, und ders., Wien im Feber. Eine Ästhetik des Widerstands, beide Wien: Turia+Kant 2000