september-oktober 2000

Gert Kerschbaumer

Meister des Verwirrens

Die Geschäfte des Kunsthändlers Friedrich Welz

Es beginnt mit einer Lüge und einer Verleumdung: Ein amerikanischer Offizier und ein kundiger Österreicher hätten das ganze Eigentum von Friedrich Welz, seine Geschäftsbücher, Bilder und Wäsche, in seiner Villa geplündert. Diese Geschichte von fremden Räubern, die Welz anno 1945 ausgeheckt hatte, kolportiert im Jahr 2000 die amtliche Publikation „Das Inventarbuch“ der Landesgalerie Salzburg 1942-1944 mit dem Geleitwort vom Landeshauptmann Dozent Schausberger.

Ein halbes Jahrhundert lang versteht sich das Bundesland Salzburg als rechtmäßiger Erbe von Kunstwerken. Diese stammen aus Kriegsverbrechen. Der Besitzer war der Reichsgau Salzburg. Direktor der Landes- galerie war der Kunsthändler Welz. Aus seiner Kriegsbeute konnte damals ein enormer Profit geschlagen werden: Geschätzte drei bis vier Millionen Reichsmark für etwa 310 Kunstwerke aus dem besetzten Frankreich.

Welz hätte die Bilder ordnungsgemäß mit Rechnungsbelegen angekauft - so wird noch heute amtlich gelogen, und das, obwohl in der Nazizeit Ankäufe mit Devisen im Ausland verboten waren. Welz hatte tatsächlich 450 000 Reichsmark überwiesen, und zwar an die Reichskreditkasse sowie an den SS-Standartenführer Kajetan Mühlmann, diesen berüchtigten Kunsträuber aus Salzburg. Sein Bruder Josef Mühlmann, ebenso SS-Scherge und Räuber, avancierte in den 50er Jahren zum Kustos der Residenzgalerie und verwaltete den Kriegsschatz. Der war nach 1945 versteckt worden. Im Jahr 2000 sind aber lediglich 19 Bilder in den Prunkräumen aufgetaucht - erst nach öffentlichem Druck.

Bisher hätte niemand einen Anspruch gestellt, sagen Beamte und Politiker. Das ist purer Zynismus. Auch österreichische Juden wurden betrogen, so die Erben von Dr. Heinrich Rieger. Der Wiener Arzt wurde im KZ ermordet. Seine sagenhafte Sammlung von 800 Bildern - Schiele, Klimt, Kokoschka - verschwand in dunklen Kanälen. Der Sohn konnte nach New York flüchten. Er beauftragte nach dem Vernichtungskrieg einen Wiener Rechtsanwalt mit der Suche. Dieser musste erst Herrn Welz fragen, welche Bilder er denn arisiert habe. Welz antwortete „soweit mir erinnerlich“. Er erinnerte sich nur an wenige Bilder, die in der Landesgalerie quasi geparkt waren und daher das Land Salzburg herausrücken musste. Doch Welz goutierte die geforderte Gegenleistung - Geld und eine falsche Aussage des Rechtsanwaltes: Welz hätte gar keine Bilder arisiert und sich somit auch nicht bereichert. Daraufhin wurde das Strafverfahren gegen Welz eingestellt. Inzwischen hatte Welz - mit Hilfe der Salzburger Landesregierung - wertvolle Schiele-Bilder an den Erben vorbei jongliert und an österreichische Museen verkauft, freilich mit verdeckter Herkunft.

Nach wie vor sind in der Residenz und im Rupertinum etwa 160 Kunstwerke gespeichert - zum überwiegenden Teil mit verdunkelter Herkunft aus der Nazizeit, zum Beispiel Faistauers Schloss Saalhof oder Spitzwegs Hohensalzburg; und dann gibt es noch einen dubiosen Fall von „entarteter“ Kunst: Lovis Corinths Frauenporträt, das Welz 1941 angeschafft hatte - ein Bild gleichen Titels ist im Besitz des Rupertinums (Welz-Stiftung 1977). Die Beutekunst muss amtlich gehütet werden, denn im Ausland könnte sie der Staatsanwalt beschlagnahmen - wie schon Egon Schieles Wally von Krumau. Das Porträt hatte Welz anno 1938 der Eigentümerin Lea Bondi-Jaray vor ihrer Flucht abgepresst.

Dokumentiert in:

Gert Kerschbaumer: Meister des Verwirrens. Die Geschäfte des Kunsthändlers Friedrich Welz, Czernin Verlag, Wien 2000.