september-oktober 2000

Gerald Gröchenig

Ein wertvoller Beitrag der Republik

Eines der ersten Opfer der schwarz/blauen Kulturpolitik sind die gerade erst etablierten „Freien Radios“

Die ca. 2.000 „Community-radios“ in Europa könnten bald um einige österreichische Stationen ärmer sein. Während es nämlich in Ländern wie Deutschland, England oder den Niederlanden schon seit Jahrzehnten üblich ist, diese „Freien Radios“ aufgrund ihrer Wichtigkeit für die Meinungsvielfalt zu unterstützen, scheint bei uns die Aufbauarbeit von zwei Jahren gerade vom schwarz/blauen Sparwahn wie auch der Ignoranz der zuständigen Politiker zunichte gemacht zu werden.

Nur kurz zur Erinnerung: Nach einem jahrelangen Rechtsstreit waren in Österreich private Radios erst ab 1998 möglich. Neben vielen kommerziellen bildeten sich auch einige sog. „Freie Radios“. Diese investierten in Personal und Material, bildete RadiomacherInnen aus, produzierten dann ihre Nischenprogramme, die für den ORF zu sehr „Nische“ und für kommerzielle Betreiber zu wenig kommerziell sind. Vorzeigeprojekten wie den Radios FRO in Linz oder ORANGE in Wien folgten bald kleinere Stationen in den Bundesländern, wo auch Vereine, Schüler, Immigrantengruppen, Vertreter ethnischer und sozialer Minderheiten u. a. ihre eigenen Radioprogramme gestalten und senden konnten.

Nach langen Diskussionen, wo die Zuständigkeit des Bundes für derartige Medienprojekte liege, landeten die Förderansuchen in der Abt. II/8 der Kunstsektion (zuständig für Kulturinitiativen und kulturelle Entwicklung), dessen Beirat daraufhin sogar mit Johanna Dorer um eine Medienexpertin erweitert wurde.

1999 dokumentierte der Bund seine Zuständigkeit mit einer Fördersumme von ca. 3,7 Mio Schilling, für die BetreiberInnen eine Motivation, an Entwicklung und Professionalisierung weiterzuarbeiten.

Seit dem Regierungswechsel ist alles anders. Staatssekretär Morak hat mit dieser Form der Kulturarbeit wenig am Hut. Ihm bereiten ein paar dieser Radios weniger keine schlaflosen Nächte, gibt er in Gesprächen offen zu. Von den Radios fordert er „alternative Finanzierungspläne“, die ohne öffentliche Förderungen auskommen – wie wenn man für eine Sendung mit Minderheiten groß Sponsorengelder lukrieren könnte.

Er preist die kostenlose Nutzung der Frequenzen als „wertvollen Beitrag der Republik“ an, wie wenn es beim Theater reichen würde, das nackte Haus ohne Mobilar und Personal hinzustellen. Eigene Mittel für die Radios wie in den Vorjahren gibt’s keine mehr. So kann er darauf vertrauen, dass auch der zuständige Beirat kaum die von den Radios benötigten Fördersummen beschließen kann, will er nicht aufgrund der gekürzten Budgets andere Kulturorganisationen massiv gefährden.

Ob und wie die Radios überleben können, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Für die beiden größeren Einrichtungen in Linz und Wien ergibt sich wahrscheinlich die Möglichkeit, durch Umstrukturierungen einen eingeschränkten Betrieb über einen gewissen Zeitraum weiterzuführen. Bei den kleineren Organisationen schaut es da schon anders aus: Obwohl sich z. B. das Liezener Radio "Freequenns" zwar in kürzester Zeit hohe Akzeptanz in der Region erarbeitet hat, von der Gemeinde Liezen mit dem stolzen Betrag von 320.000 Schilling gefördert wird, Unterstützungserklärungen von Schülergruppen bis zum Stift Admont vorweisen kann, muß diese Einrichtung wahrscheinlich demnächst die einzige Angestellte kündigen. Dasselbe Los blüht auch den anderen Einrichtungen. Heuer zahlte der Bund nur mehr ein Drittel der Vorjahressumme aus und das reicht vorne und hinten nicht.

Staatssekretär Morak ist damit drauf und dran, eine kulturelle Infrastruktur, gerade erst etabliert, zu zerschlagen. Es wird wahrscheinlich nicht die letzte bleiben.