september-oktober 2000

Karl Heinz Ritschl

Ein Monsterbau vor Schloss Klessheim

Salzburgs Machtpolitik zur Errichtung eines neuen Stadions

Jawohl! Das Stadion vor Schloss Klessheim wird gebaut. Die Grundstücke sind bereits angekauft und das Triumvirat der Mächtigen hat grünes Licht gegeben.

Wer sind diese drei Machtinhaber? Ludwig Bieringer, Bürgermeister der finanzstarken Gemeinde Wals-Siezenheim, der wohl des Applauses seiner Ortsbevölkerung sicher sein kann, denn das Stadion samt seinen "Nebennutzungen" wird für weitere Ausbuchtung seines Gemeindesäckels sorgen, ohne dass Gemeindebürger die Nachteile zu spüren bekommen werden. Die haben nur die wirklichen Anrainer, die Taxhamer, doch die sind nicht Gemeinde-, sondern Stadtbürger von Salzburg. Der zweite Mächtige, schier der Allmächtige, ist Landeshauptmann Universitätsdozent Franz Schausberger, der knallhart den Standortplatz des Stadions verteidigt hat. Sowohl gegen Anrainerinitiativen wie auch gegen Kulturschaffende, denen sich jüngst fast 600 Ärzte mit einer Petition gegen die Standortwahl angeschlossen haben. In der Volkspartei gibt es deswegen Murren, wenn auch hinter vorgehaltener Hand, weil ein hoher Prozentsatz der Gegner des Stadions vor dem Barockschloß der eigenen Wählerschaft entstammt. Schausberger, der eine Aktion ins Leben gerufen hat, um kulturelles Erbe zu schützen, der sich so gern mit einem geretteten Marterl oder einem renovierten Fresko fotografieren lässt, hat in der Klessheim-Frage jede Sensibilität vermissen lassen. Der dritte Mächtige ist der Koalitionspartner Othmar Raus, seines Zeichens Sozialdemokrat und Landesrat sowohl für Kultur als auch für Sport. Es ist wie mit dem berühmten "Doctor Jekyll & Mister Hyde", den beiden Seelen in einer Brust, er regiert als Zwilling Schausbergers.

Und da sind natürlich noch die Erfüllungsgehilfen der Mächtigen, die Geschäftsführer der SWS - Stadion Salzburg Wals-Siezenheim. Planungs- und Errichtungsgesellschaft mbH, Alfred Denk und Friedrich Mair. Beide sind Beamte und Sitz der Gesellschaft ist die Aigner Strasse 12 in der Stadt Salzburg. Die Betreiber des Projektes argumentieren, dass die Verwirklichung des Stadions im Vorfeld des Schlosses Klessheim nicht nur keine Störung des Schlosses, sondern durch die Umlandgestaltung als Erholungs- und Sportgebiet eine Aufwertung erfahren werde. Die Gegner wiederum, die sich nicht gegen den Bau eines Stadions aussprechen, wohl aber gegen die Standortwahl, argumentieren, dass die Sichtachse des Schlosses gestört werde, ja, dass dabei der Riegel der um das Schloss errichteten Anlagen endgültig geschlossen würde.

Höchst problematisch ist das Vorgehen der Errichtungsgesellschaft. Die Information erfolgt spärlich, genaue Detailpläne werden vertraulich behandelt und die Forderung nach Errichtung wurde mit nicht nachvollziehbaren Einwänden abgeschmettert. Mit gasgefüllten Ballons könnten Länge, Breite und Höhe sehr leicht markiert werden, um damit Kritik zu entkräften.

Doch wäre diese Demonstration eine Entkräftigung? Dass scheint höchst fraglich. Den Architektenwettbewerb hatten die Architekten Schuster aus Düsseldorf gewonnen. Die Jury befand, dass eine teilweise Absenkung des Stadions und gleichzeitig eine Böschung, also Aufschüttung, bewusst begrünt und gestaltet, sich dem sensiblen örtlichen Gegebenheiten im Vorfeld des Fischer von Erlach’schen Barockschlosses idealerweise anpassen müsste. Sogar der Landeshauptmann garantierte in einem Interview (Stadt-Info vom 2.8.00) auf die Frage, ob das Stadion über die Bäume an der Schlossmauer herausragen werden: "Keinesfalls. Das Gebäude des Stadions wird 7,5 Meter über Niveau zu sehen sein, darauf kommt noch die Dachkonstruktion, mit einer Höhe von 4,0 Metern."

Die Planung ist aber inzwischen längst dem Siegerprojekt entwichen. Der Erdwall ist gefallen, es ragt nun 500 Meter vom Schloss entfernt - in freier Sicht - ein riesiger Bau in Form eines Vierkanthofes in die Höhe. Die Ausmaße: 200 x 180 Meter, das sind insgesamt 760 Laufmeter Fassade rund um den Stadionbau. Die Höhe beträgt 19,1 Metern.

Vertraulich wurde mir von einem Büro der Planungsstand vom 12.3.00 zugänglich gemacht. Der Plan trägt den bezeichnenden Namen "Wallring" und zeigt, dass es ohne das reine Fußballfeld und den Freiraum darüber rundum einen Nutzraum von ca. 40.000 Quadratmeter gibt, dass diese "Schachtel" rundum das Fußballfeld ca. 170.000 Kubikmeter umbauten Raum besitzt. Übrigens: das Schloss Klessheim würde vielfach Platz im gesamten vorliegenden Projekt haben.

In diversen Interviews wurde bereits mehrfach die "Nebennutzung" erwähnt, wie die dauerhafte gewerbliche Nutzung des Objektes schamlos umschrieben wird. Von Großveranstaltungen ganz abgesehen, sollen in den Gewerbetrakten interessante Firmen, Gastronomiebetriebe und Freizeitlokale angesiedelt werden, um einen dauerhaften Besucherstrom anzulocken. Nebenbei gesagt, dass ohnehin in einem Bereich, in dem durch Europark, Casinobetrieb im Schloss und Airportcenter in der Nähe für ein entsprechendes Verkehrsaufkommen gesorgt ist. Ja, da ist auch noch das Spaßbad in der Nachbarschaft geplant und nebulos wird auch oder schon von einer Eislaufhalle zwischen Stadion und Schlossmauer gesprochen, den das Stadion ja unbedingt benötigt.

Insgesamt ist die ganze "Sekundärnutzung" ein wesentlicher Faktor, um den Stadionbetrieb überhaupt zu sichern. Denn das Stadion, das eine Kapazität von 20.000 Besuchern haben soll und auf 32.000 Besucher erweiterbar sein soll, wird selten zu füllen sein.

Ja, da war doch noch die Tatsache, dass das Areal auf dem nun das Stadion entstehen soll, als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen war. Am 9.6.00 hatte der Naturschutzfachdienst der Bezirkshauptmannschaft Salzburg Umgebung ein Gutachten erstellt, gekennzeichnet vom Amtssachverständigen Wolfgang Schütz. Dieses 16-Seiten-Gutachten hebt die Achse des Schlosses als einzigen Grünkorridor durch Kasernenbauten und Gewerbegebiete zwischen Autobahn und Saalach, von Wals bis Liefering, auf einer Strecke von über 5 Kilometer hervor. Der Raum vor dem Schlosspark sei zwar durch landschaftlich besonders abträgliche Nutzungsformen – es handelt sich um eine Baumschule – stark degradiert, doch sei der Charakter dennoch ausgeprägt ländlich. Zum Naturhaushalt befindet das Gutachten: "Ganz allgemein sind auch noch so intensiv bewirtschaftete Kulturlandschaften für den Naturhaushalt wertvoller als bebaute und asphaltierte Flächen. Baumschulen stellen trotz ihrer abträglichen Wirkung auf das Landschaftsbild einen Lebensraum für viele Vogelarten dar. In Klessheim sind es u.a. Girlitz, Grünfink, Amsel, Buchfink, Zilp-Zalp und Goldammer." Es würde zu weit führen, hier die, wenn auch interessanten, Details des Gutachtens zu zitieren, oder die Stellungnahme zu den rund 1.800 Parkplätzen auf den beiden Vorfeldhälften des Schlosses. Doch die zusammenfassende Meinung des Gutachters sagt schließlich alles: "Ohne jeden Zweifel und für Jedermann nachvollziehbar, wirkt sich das Stadion in abträglicher Weise auf das Landschaftsbild aus. Auch wenn das beiliegende Gutachten (Anm.: Gemeint ist das Gutachten aus baugestalterischer Sicht) dem Stadion große baugestalterische Qualitäten beimisst, handelt es sich landschaftlich um einen Kegelstumpf, mit der optisch in Erscheinung tretenden mehr als zehnfachen Baumasse des Schlosses, der, je nach Blickrichtung, das Schloss teilweise oder ganz verdeckt, die Dominanzverhältnisse verschiebt, und dem Vorfeld den für die Betrachtung notwendigen Raum einschließlich der Qualität nimmt. ...Zusammenfassend und insgesamt beurteilt, wird durch das Stadion und alle Nebenanlagen das in Sichtbezug zum Schloss Klessheim stehende Landschaftsbild in extrem abträglicher Weise beeinflusst. Der Sinn und Zweck des Landschaftsschutzgebietes im Planungsraum des Projektes würde verlorengehen. ..."

In einem Anhang stellte der Gutachter plakativ fest: "Würde man eine Skala von 0 bis 100 (0 = keine Beeinträchtigung, 100 = Zerstörung des Landschaftsbildes bzw. des Landschaftscharakters) anwenden, würde die Verwirklichung des beantragten Vorhabens aufgrund vorstehender gutachtlicher Ausführungen für das Landschaftsbild im Bereich von 95, für den Charakter der Landschaft wegen der Großräumigkeit der Betrachtung, die die benachbarten Gewerbegebiete einschließt, um 80 einzutragen sein. Die Vorschreibung von Auflagen oder Bedingungen kann daran nichts ändern."

Der Schlüsselsatz des Gutachters steht am Ende seiner Ausführungen: "Es muss der Behörde überlassen bleiben, allfällige andere besonders wichtige öffentliche Interessen, deren Verwirklichung das Vorhaben unmittelbar dienen soll, dem gegenüberzustellen und dann die Interessensabwägung wahrzunehmen."

Das haben Schausberger und sein Trabant Raus getan. Ob sie dabei wohl wussten, dass dieses Monstrum – zur Erinnerung: 200 Meter lang, 180 Meter breit und mehr als 19 Meter hoch – nicht mehr von einem gestalteten Erdwall umgeben sein wird, sondern knallhart in Lärchenplanken verpackt – weil man ja so naturnah ist! - , die nach ihrer Abwitterung den Riesenklotz wie ein Fort im Wilden Westen aussehen lassen werden. Als einer der Unterzeichner des Manifestes der Kulturschaffenden "Kein Stadion vor dem Schloss Klessheim" erhielt ich ein Schreiben der Geschäftsführer der Betreibergesellschaft, in dem mitgeteilt wird, dass das Stadion ja nicht direkt vor dem Schloss errichtet werde, sondern 200 Meter von der Schlossmauer entfernt und rund 500 Meter vom eigentlichen Schloss entfernt liege. Dann folgt das Argument, dass dies beispielsweise der Entfernung zwischen Schloss Mirabell und dem Hauptbahnhof oder zwischen Salzburger Dom und den Sportanlagen im Nonntal entspreche und niemand dabei auf die Idee käme, zu sagen, dass die Sportanlagen im Nonntal den Salzburger Dom gefährden würden. Pflanzerischer kann eine Argumentation nicht sein. Eine Entfernung im verbauten städtischen Gebiet mit einer Entfernung in freier Landschaft zu vergleichen ist dumm. Das im Brief zitierte Argument, das immer wieder ins Treffen geführte "Weltkulturerbe" beziehe sich nur auf die Altstadt von Salzburg und keineswegs auf das Schloss Klessheim, zeugt von mentalem Unverständnis von Techniker, die Zahlen und Baumassen im Hirn verankert haben. aber dem verpflichtendem Erbe hoffnungslos wesensfremd gegenüberstehen. Im Übrigen gehen die beiden Geschäftsführer in ihrem Brief wieder nicht auf die Masse des Stadions und auf die offenen Fragen ein. Das ist es, was die Befürchtungen nährt, dass das Ergebnis der Planungen und ihrer Veränderungen erschütternd sein kann.

Wenn man dann die verantwortlichen Politiker beschimpfen oder gar abwählen sollte, werden sie durch andere ersetzt – aber niemand wird zur Rechenschaft gezogen werden.

So ist das.