september-oktober 2000

Peter Steyrer

Schmieden und Schmettern

Die Funktion der österreichischen Heeresdienste im Kosovo-Krieg

In den kalten Wintertagen des Dezembers 1998 entwickelte sich die Lage in Südosteuropa widersprüchlich. Am 13.Oktober hat der Nato-Rat Javier Solana ermächtigt, Luftangriffe gegen Jugoslawien anzuordnen. Mitte Oktober hatte sich Slobodan Milosevic mit dem US-Sondergesandten Holbrooke auf ein Waffenstillstandsabkommen geeinigt. Milosevic stimmte 2000 unbewaffneten OSZE-Beobachtern und Nato-Überwachungsflügen im Kosovo zu. In den Gebieten, wo sich serbische Spezialeinheiten zurückzogen, übernahm die kosovo-albanische Befreiungsarmee UCK die Kontrolle. Die Stimmung drohte international gegen die KosovarInnen zu kippen.

Diese Entwicklung hat einige Herren in Wien beunruhigt. So trafen sich die Südosteuropa-Experten des Heeresnachrichtenamtes (HNA) in Wien Hütteldorf. Sie brüteten darüber, was der österreichische Beitrag zum internationalen Krisenmanagment sein könnte. Die Agenten fragten bei alten Freunden aus der jugoslawischen Bundesarmee nach. Sie wurden bald fündig.

Die Militärstrategie der Bundesarmee gegen die UCK sollte benannt, berichtet, ausgemalt und in die Welt hinausgetragen werden: Die Heeresagenten berichteten am 14. Jänner 1999 erstmals an Regierungsmitglieder, dass Milosevic den Auftrag zur "endgültigen militärischen Lösung des Kosovo-Problems” (s. profil 15/2000) erteilt habe. Bereits eine Woche später hatte die Sache ihren Namen: Potkova, was im kroatischen soviel wie Hufeisen bedeutet. Das serbische Äquivalent heisst zwar "Potkovica”, aber das sollte erst ein Jahr später auffallen. Am 29. Jänner wird - auch um internationale Resonanz zu erreichen - noch ein Schäuferl nachgelegt: "Der Plan zur großflächigen ethnischen Säuberung wird erkannt.” (profil 15/2000)

Ein Monat nach Beginn der Nato-Luftangriffe auf Jugoslawien im April, haben die Agenten noch die nötigen Skizzen vom Hufeisen nachgeliefert. So war das Bild von der Führung in Belgrad als Völkermörder einmal mehr vervollständigt.

Regelmäßig wurden die Berichte aus Wien an die Bundeswehr und die Nato weitergereicht. Während sich das US-State-Departement hütete, die Geheimdienst-Geschichte aus der Hütteldorferstraße an die große Glocke zu hängen, wurde sie in der Bundesrepublik zum Hauptargument für die deutsche Beteiligung an der Intervention stilisiert. Der deutsche Verteidigungsminister sei wie "elektrisiert" gewesen von den Berichten. Darin läge der Beweis, dass die Bundesarmee einen Völkermord im Kosovo geplant habe und die Vertreibungen nicht von den Luftangriffen der Nato ausgelöst worden seien.

Ein Jahr später wäre Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) beinahe über seinen sorglosen Umgang mit dem Märchen der "Ösis" gestolpert. Entsprechende Medienberichte und hitzige Debatten im Bundestag schwächten ihn außerordentlich. Er schrammte knapp an einem Misstrauensantrag vorbei. In Österreich hingegen interessiert die Sache keinen Menschen. Und außerdem: "Mir san ja eh die reinen Lamperln!" (K.Kraus: Die letzten Tage der Menschheit.)

Der Kosovo-Konflikt ist zwar nach wie vor ungelöst. In Wien wird der faktische Rauswurf der SerbInnen zufrieden zur Kenntnis genommen. Und für die endgültige Lösung des Belgrad-Problemes fällt unseren Agenten vielleicht wieder eine gute Geschichte ein.

Heeresnachrichtenamt und Heeresabwehramt

haben sich bis Anfang Juni im gesetzesfreien Raum bewegt.

Jetzt gibt es ein Gesetz. Das hat jedoch keine rechtsstaaltiche Grundlage gebildet. Es ist ein Freibrief.

Die 600 Agenten können jetzt ganz legal fälschen, schnüffeln, rastern und lauschen. Die Dienste unterliegen keinerlei Auskunftspflichten.

Ihr Tun wird weiterhin im Dunklen bleiben. Umfang und Verteilung der geschätzten Spionage-Milliarde wird weiterhin im Budget nicht aufscheinen.

Ganz nebenbei und unbemerkt ist mit dem Militärbefugnisgesetz eine Kriegs- und Notstandsgesetzgebung eingeführt worden.