juni 2000

Doc Holliday
gelesen

PETER BÖHMER: »Wer konnte, griff zu

ðArisierteÐ Güter und NS-Vermögen im Krauland-Ministerium (1945-1949)«. (Böhlau Verlag, Wien 1999)

Der Zeithistoriker Peter Böhmer legt erstmals eine Geschichte des während der ersten Nachkriegsjahre bestehenden und von Peter Krauland (ÖVP) geleiteten Ministeriums für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung vor. Herausgekommen ist ein wenig schmeichelhaftes Sittenbild der Gründerjahre der Zweiten Republik. Das Ministerium war sowohl für »arisierte« und sonstige von Nazis geraubte Vermögen zuständig als auch für das Parteivermögen der NS-Organisationen und jene Privatbetriebe, die im Besitz von belasteten Parteimitgliedern waren. Das Krauland-Ministerium regelte darüber hinaus die Rückgabe des Eigentums politischer Organisationen sowie den Verkauf und die Verpachtung von »herrenlosen« Gütern, die nach Kriegsende ohne Besitzer blieben. Die zentralen politischen Protagonisten der Nachkriegszeit, also ÖVP, SPÖ, Kammern und Gewerkschaften, interpretierten dabei den ohnehin leicht kafkaesk anmutenden Namen des Amtes auf recht eigenwillige Art: Durch fortgesetzte Interventionen und Intrigen sich möglichst bedeutende Vermögen zu sichern, sprich unter den Nagel zu reißen. Weitab vom oft zitierten Konsens der »Aufbaujahre« stritten sich die beiden Großparteien um Pfründe, wobei - trotz Rücksichtnahme auf den Proporz - in den meisten Fällen die ÖVP von der Beuteaufteilung profitierte. Dank der akribischen Auswertung sämtlicher Akten in den einschlägigen Archiven und der Ministerratsprotokolle gelingt dem Autor der Nachweis, dass Korruption, indirekte Parteienfinanzierung und ungesetzliche Bereicherungen wesentliche Elemente des gern beschworenen Mythos des »Wiederaufbaus« waren. Darüber hinaus verhinderte die Politik der ÖVP eine Entnazifizierung der Wirtschaft und vereitelte eine Aufarbeitung des Raubmordes an den Juden. Bisweilen waren schon 1947 einstige »Ariseure« als Konsulenten im Ministerium tätig: Zuständig für - man glaubt es kaum - die Rückübertragung jüdischer Firmen! Frechheit siegt.