juni 2000

Constantin Merkatz

Kommunikatives Wohnen

15 Jahre nach Rif ist in Salzburg-Maxglan wieder ein Atrium-Wohnhof im Entstehen

»Wie ist es denn für dich, im Atrium zu wohnen?«

• »Das ist toll. Weil man da spielen kann und schaukeln. Und man kann mit dem Ball spielen. Die anderen Kinder haben auch Spiele zum Spielen. Und manche Kinder, die schießen so hin und her mit dem Luftballon.«

»Sind dir manchmal zu viele Leute im Atrium?«

»Wenn schönes Wetter ist, dann sind die Leute draußen und wenn schlechtes Wetter ist, dann sind sie drinnen.«

»Wie sieht es denn hier aus im Atrium?«

»Toll! Lustig! Man kann da Radlfahren und man kann eine Schaukel aufhängen. Kann man nachher schwimmen. Und dann kann man da draußen ein Feuer machen. Und man kann ... jetzt weiß ich nix mehr.«

(Interview mit dem fünfjährigen Sebastian aus Rif)

Im Salzburger Stadtteil Maxglan an der Richard-Knoller-Straße ist ein neuer Atriumswohnhof im Entstehen. Die Wohnungen sind dreigeschoßig, der Gemeinschaftsbereich besteht aus Tiefgarage, Wasch- und Trockenraum, Sauna, Fitnessraum, einer Galerie im Obergeschoß und dem glasgedeckten Atrium, das dem ganzen Projekt seinen Namen gibt. Ökologie, Mitbestimmung, Kommunikation und Mehrgenerationenwohnen stellt der Prospekt der Betreiber in Aussicht.

Im Halleiner Stadtteil Rif hat man seit fünfzehn Jahren Erfahrung mit dem Konzept. In den drei Höfen in prächtiger Lage an der Königseeache wohnen über neunzig Leute. 8.500 qm stehen den BewohnerInnen zur Verfügung, die Wohnfläche beträgt rund 3.600 qm. Eine anlässlich der Zehnjahresfeier 1995 erstellte Statistik wies weiters zwölf Katzen und acht Hasen aus. Der jüngste menschliche Bewohner ist zwei Jahre alt, die älteste Bewohnerin wird demnächst sechzig.

Außerordentlich zufrieden über die Wohnform äußern sich einige Spätjugendliche. Sie hatten ein Heranwachsen im Grünen bei gleichzeitiger Stadtnähe und von klein auf den winterfesten Spielplatz im Innenhof. Sie lebten in einer Schar Gleichaltriger und mit Eltern, die sich keine Sorgen zu machen brauchten, wenn der oder die Kleine die Wohnung verließ. Wie eine verschworene Gemeinschaft enger FreundInnen feiern sie gemeinsam, schmieden sie Pläne, diskutieren sie und besuchen Konzerte im Rockhouse oder im Kulturgelände Nonntal. Die zwanzigjährige Verena Topitz betont, daß die vielen Freundschaften ihr Leben geprägt haben. »Ich bin gewohnt«, sagt sie, »aus der Wohnung raus ins Atrium oder in den Partyraum zu gehen, wenn ich nicht allein sein will, und gleich mal zehn Leute zu treffen. Du bist nie einsam hier. Und du gewinnst Freunde, die dir ein Leben lang bleiben.« Verena sieht einen positiven Effekt der Wohnform auch darin, dass die Eltern viel voneinander gelernt haben, was den Umgang mit Kindern betrifft. »Ich glaube, dass die Elterngeneration extrem davon beeinflusst wurde zu sehen, wie gehen andere mit einer Situation um. Es gab immer ein Wechselspiel.«

Hohe Wohnzufriedenheit bestätigt auch Josef Grain, ein eher stillerer Mitbewohner. »Jeder kann gesellig und zurückgezogen sein«, so Grain. »Das ist das Schönste, diese Freiheit in beiden Richtungen«.

Tanja Berki und ihr Mann Thomas sind erst vor einem halben Jahr zugezogen. »Dass immer Leute herum sind, dass immer was los ist, dass es für die Kinder absolut ein Paradies ist«, findet auch die junge Mutter zweier Buben. »Unsere Kinder sind viel lockerer, freier und selbständiger geworden, seit wir hier leben.«

Das einzige, was von GesprächspartnerInnen gelegentlich als störend empfunden wird, ist die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Etwa wenn sich jemand als locker gebärdet und in bestimmten Situationen doch Kleinlichkeit durchschlägt. Oder wenn trotz eines zur Schau getragenen Ökologiebewusstseins die Mülltrennung nicht funktioniert.

Selbstverwaltung beinhaltet auch, manchmal selbst Hand anzulegen, wenn etwas kaputt geht. Etwa,wenn die Waschküche überschwemmt ist, weil wieder einmal zu viele BenutzerInnen das Flusensieb nicht gereinigt haben. Dann braucht es schon ein erhöhtes Maß an Toleranzbereitschaft bei jenen, die zum wiederholten Male durch die Lache waten und das Chaos beseitigen. Es sind letztlich tendenziell immer wieder dieselben Leute, die sich annehmen und einfach tun, was zu tun ist, nicht auf andere warten oder eine Firma kommen lassen, um selber aus dem Schneider zu sein.

Fritz Matzinger ist der Architekt des neuen wie des alten Atriumprojektes. Die Idee dafür kam ihm in Kamerun und an der Elfenbeinküste, als er dortige Wohnformen studierte. »Wie die Leute dort bauen, ist intelligent, gescheit, sozial«, kommentiert Matzinger noch heute überzeugt. Auch er selbst wohnt in einem Atriumsprojekt in Leonding bei Linz, das er vor 25 Jahren verwirklichte. Was er heute, bei seinem neuen Projekt anders machen wird? »Nichts!« kommentiert Matzinger, »es hat sich in dieser Form bewährt.«

Neu an dem Maxglaner Projekt ist, dass es professionell beratend vom Österreichischen Wohnbund begleitet wird, und zwar durch den Salzburger Raimund Gutmann. Ziel des Wohnbundes ist generell, unkonventionelle Projekte auf die Beine zu stellen. Gutmann berät bei der Projektentwicklung. Er hat eine Art Moderatorenfunktion zwischen Bauträger, Architekt und BewohnerInnen. Übertragen auf Interessenlagen bedeutet dies, den Profit, die Selbstverwirklichung des Architekten und die Erwartungen der künftigen BewohnerInnen unter einen Hut zu bringen. In diesem Dreieck ist Gutmann eindeutig positioniert: Er sieht sich als »Anwalt« der KaufinteressentInnen. Gutmanns Arbeit reicht von der Lösung von Rechtsfragen bis zur gruppendynamischen Intervention, etwa dann, wenn BewohnerInnen in spe in ihrer Anfangseuphorie glauben, Grundfragen nach Verantwortung nonchalant lösen zu können und meinen, ohne fixe Vereinbarungen ihr Auskommen zu finden.

Zieht man in Betracht, dass das erste Atriumsprojekt bereits vor 15 Jahren errichtet wurde, verwundert es, dass es noch heute als »unkonventionell« gilt. »In Salzburg stagnieren innovative Wohnformen«, bedauert Gutmann. Seiner Erfahrung nach liegt das daran, dass die Saturiertheit in Salzburg besonders stark ist und wenig Interesse an anderen Lebensformen besteht. Viele Menschen haben Angst, sich auf das Spannungsverhältnis zwischen Privatheit und Öffentlichkeit einzulassen und konstruktiv damit umzugehen. »Die Menschen werden immer unfähiger, ihre Sehnsucht nach guter Nachbarschaft zu leben«, so Gutmann. Auch Architekt Matzinger räumt ein, dass »neue Wege unter jungen Leuten heute nicht mehr so gefragt sind wie vor fünfzehn, zwanzig Jahren«.

Dabei könnte es gerade jetzt, da der Markt gesättigt ist, mehr um die Qualität von Wohneinheiten als um deren Quantität gehen. So gesehen sollte es auch mehr Spielräume für die Förderung von Pionierleistungen geben. Sollte! Denn auf Seiten der Politik hat sich die Förderung neuer Wohnformen niemand auf die Fahnen geheftet.

Details und Pläne bei

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