juni 2000

Hans Lindenbaum

Die Koalition, Kongresse und die Krimmlerbahn

Ein Tourismus-Szenario zum Auftakt der Salzburger Sommer-Saison

»Beim Erholungstourismus sind zählbare Auswirkungen nicht erkennbar, für den Kongresstourismus ist es zu früh, eine seriöse Aussage zu machen.« So charakterisiert Martin Uitz, Geschäftsführer der »Salzburger Land Tourismus Gesellschaft« die augenblickliche Situation des Urlaubslandes vor den einträglichsten Wochen. Seine Einschätzung in Bezug auf Erholungssuchende deckt sich mit Umfragen, die eine irritierte Branche in den vergangenen Wochen in Auftrag gegeben hat: Das seit 1996 währende stetige Bergauf der österreichischen Tourismus-Wirtschaft sollte sich auch im ersten schwarz-blauen Sommer 2000 fortsetzen. Sogar aus den EU-Staaten, deren Politiker die schärfste Gangart gegen Schüssel & Co angesagt hatten, könne man eher mehr als weniger Gäste erwarten. Und vergessen ist auch der Kreisky-Sager, Kärnten sei zu teuer: »In« soll es heuer abermals sein, Urlaub »nicht daheim und doch zuhause« zu machen - Millstatt statt Marseille, Pamhagen statt Paris, Bad Ischl statt Brüssel also.

Bleibt der Kongresstourismus mit seiner rund dreijährigen Vorlaufzeit, der bei Martin Uitz Stirnrunzeln hervorruft. Im Februar und März, als Österreich täglich und weltweit in den Schlagzeilen war, habe es Stornos gegeben, dann die Absagen Einzelner. »Fest steht, dass Veranstalter auf Teilnehmende aus bestimmten Staaten nicht verzichten können und wollen und deswegen auf Nummer sicher gehen«, sagt Uitz.

Also alles nicht so schlimm wie befürchtet? Seit kurzem droht just einem Hit des sanften Tourismus im Salzburger Land ein Rückschlag. Am Ursache-Wirkungs-Mechanismus zeigt sich: Der lange Arm der Koalition reicht vom Mascherl in Wien bis zum Prellbock im Endbahnhof Krimml.

Mit neun Milliarden Schilling weniger Geld vom Bund müssen die ÖBB nach den Vorgaben der neuen Regierung in den nächsten Jahren auskommen. Das Einstellen von Nebenbahnen bietet sich da zuallererst an - auch wenn, wie im Oberpinzgau, in den vergangenen Jahren insgesamt 120 Millionen Schilling investiert worden sind. Mehr als zehn Prozent der gesamten Einnahmen kommen von den rund 35.000 Tauernweg-Radlern, die samt Fahrrad per Schmalspurzug zum Ausgangspunkt Krimml gelangen. »Wir haben damit Arbeitsplätze bei der Bahn gerettet», sagt Martin Uitz. »Es gibt aber ohnehin keinen gleichwertigen Transportweg.«

Unter den wechselvollen 102 Bestandsjahren dieser Bahnstrecke stechen in schlechter Hinsicht wohl die siebziger Jahre hervor, als der sogenannte Nebenbahn-Hofrat aus der Wiener ÖBB-Generaldirektion gewissermaßen über den Kauf einer jeden Glühbirne für die Waggonbeleuchtung - mitunter vor Ort - entscheiden musste. Und durch die Jahrzehnte schnappen mit Enthusiasmus ÖBB-Züge und ÖBB-Busse als feindliche Brüder beim Parallelslalom durch den Oberpinzgau einander die Fahrgäste weg.

1984 gilt als Jahr der »Rettung«, 1986 beginnt der Flirt zwischen Land und ÖBB. 1987 droht allerdings nach einem Jahrhundert-Hochwasser im August abermals die Einstellung, als die Bundesbahnen für die Beseitigung der Schäden weit überhöhte Kosten nennen. Dann die Trendwende zur »Nationalpark-Bahn«: Es kommt nicht mehr nur Recycling-Gut der »großen« Strecken zum Einsatz, sondern die ÖBB erneuern die Bahn, und das Land zahlt dazu - mit der Folge, dass die Fahrgastzahlen die jährliche halbe Million überschreiten.

1997 besiegelt das schwarze Land Salzburg sein Verhältnis zur roten Pinzgau-Bahn und zahlt seither pro Jahr fünf Millionen Schilling. Vom »Meilenstein für den Schienennahverkehr« und »Weichenstellung für die Zukunft« ist beim unbefristeten »Verkehrsdienstevertrag« die Rede. Im Mai 1999 stellt sich die neue Landesrätin und Nahverkehrsreferentin Gabi Burgstaller hinter eine pathetische »Krimmler Erklärung«. Mit den Schlagwörtern »Modellvorhaben« und »Modernisierungsschub« dokumentiert das Land Salzburg das denkwürdige Ereignis.

Im Mai 2000 machen die Bundesbahnen von der einjährigen Kündigungsfrist beim Vertrag Gebrauch und halten fest, per Sommer 2001 den Betrieb auf ihrer »Bahn mit Herz« (ÖBB-Slogan) einstellen zu wollen. »Volkswirtschaftlich wird es nicht billiger, wenn nur mehr die Busse fahren«, sagte kürzlich der ÖBB-Manager für Salzburg, Günther Penetzdorfer, mit finsterem Gesicht in die Fernsehkamera. »Bund, Land und Gemeinden müssen ihr Interesse an der Strecke langfristig bekunden, der Tourismus kann sie nicht finanzieren«, sagt Martin Uitz.

Die »unendliche Geschichte« der Krimmlerbahn ist auf der »kunstfehler«-Homepage nachzulesen: www.kulturgelaende.at/kunstfehler