juni 2000

Renate Böhm
titel

Der lange Sommer des Widerstands

Eine Maiparade macht noch keinen Sommer, zweifelsohne aber hat er schön begonnen. Trotzdem bildete der 1. Mai eine Zäsur. Er schuf Klarheit über unsere Stärke und unsere PartnerInnen. Wer angesichts der geplanten Demontage solidarischer Systeme, Institutionen und Umverteilungsvorhaben am traditionsreichsten Tag der Arbeiterbewegung nicht mitmarschiert, sondern lieber feiert, wird den Sommer voraussichtlich in der Toskana verbringen.

Trotzdem fürchte ich nicht, dass unsere Kraft verebbt. Unsere Schwäche ist zwar, dass wir, auch wenn wir viele sind, nicht mit all jenen reden können, denen der laute Widerspruch fremd ist, auch wenn sie sich nicht wohl fühlen in ihrer Haut. Wir werden auch die Zyniker, die glauben, warten zu müssen, bis das Volk »es« in der Brieftasche spürt oder die sozialen und kulturellen Strukturen zerstört sind (das hatten wir doch schon einmal?!), nicht in reißende Bewegung versetzen können. Zudem verfügt die Plattform gegen Rassismus und Sozialabbau über keine durchorganisierte Struktur, ihre Aktionen sind - meist - Früchte spontaner Einfälle. Sie ist offen und verändert sich von Treffen zu Treffen. Genau das ist zugleich ihre Stärke: Die Regierung setzt alles daran, die gestörte Ordnung wiederherzustellen. Nur: Wer sich beharrlich unüblicher und ordnungswidriger Codes bedient, ist nicht leicht zu bändigen. Notorischer politischer Widerspruch, der nicht auf Mitglieder, Wähler und Zielgruppen Rücksicht nehmen muss, kann kompromisslos bleiben, spontan sein, lustvoll, unmäßig und unbändig, und ist per se ordnungsstörend. Es wäre falsch zu glauben, wir wären die besseren Guten, wenn wir uns auf die Mühen der Ebenen der politischen Detailarbeit begeben. Das ist Sache der Alltagsarbeit der vielen Organisationen und Personen, die Mitglieder der Plattform sind. Sache des Widerstands ist es, die Paralyse zu verhindern, solange Unruhe zu stiften, Widerspruch zu leisten und Wahrzeichen zu setzen, bis es gelungen ist, gemeinsam mit allen, die solidarisch in Vielfalt leben wollen, einen hygienischen Gürtel gegen rechts zu errichten. Salzburg bietet gerade im Sommer dafür ein herrliches Forum. Die Festspiele, die Touristen ...

Die Meteorologen sagen voraus, dass dieser Sommer der heisseste seit Jahren wird - die Macht wird schwitzen!

(Die Autorin ist in der Arbeiterkammer Salzburg beschäftigt, arbeitet in der Gruppe Frauenwiderstand und in der Plattform gegen Rassismus und Sozialabbau mit.)