mai 2000

Doc Holliday
geschaut

Wollt Ihr den totalen Blechsalat?

Autofahren ist eine schöne Sache. Man setzt sich in einen Kasten aus Metall und Plastik, bindet den Oberkörper am Sitz fest und betätigt mit dem Fuß das Pedal. Brrrm, brrrm, schon setzt sich der Kasten in Bewegung. Mit dem Steuerrad kann man um die Kurven lenken oder einfach nur geradeaus fahren. Manchmal muss man anhalten oder die Hupe drücken. Feine Sache, diese Mobilität. Allgemein herrscht die Meinung vor: Das kann doch jeder Idiot. Das stimmt so nicht, zumindest nicht in vollem Umfang. Nicht jeder Idiot fährt nämlich Auto, aber fast alle, die Auto fahren, sind Idioten. Zumindest verhalten sie sich, während sie fahren, wie solche. Und die Ober- und Hauptdodeln sind wieder einmal unsere Nachbarn aus dem Deutschen Reich. Jeder, der öfters auf deutschen Straßen unterwegs ist, kann das bestätigen. Mit einer explosiven Mischung aus unzähmbarer Aggressivität, größenwahnsinniger Selbstüberschätzung und dem Zwang zum Rasen auf den tempolimitfreien Rollbahnen - die ihnen der Führer seinerzeit sicher nicht umsonst planieren ließ - bemühen sich die Deutschen die Unfallstatistiken in die Höhe zu treiben. Manchmal gelingen gar beeindruckende Erfolge: Massenkarambolagen mit weit über 100 beteiligten Fahrzeugen. Das gibt Hoffnung, dass auch einige Auto-Hooligans dem Blechsalat beigemengt sind. Beim hohen Grad der PS-Durchseuchung bleiben diese Kesselschlachten auf den Autobahn-Heimatfronten nur ein (Öl und Bluts-)Tropfen auf dem heißen Asphalt. Zur Selbstauslöschung des rasenden Mobs ist es noch ein weiter, mit Leichen gepflasterter Weg. Damit den Kutschern die nötige Geschwindigkeitsgeilheit nicht abhanden kommt, damit sie also so richtig auf Touren kommen, bietet das Deutsche Sportfernsehen (DSF) ein Kleinod mit dem programmatischen Titel »Außer Kontrolle«. Dort werden nur Unfälle aus der bizarren Welt des Rennsports gezeigt. Ein wahres Panoptikum der Motorisierungsdesaster. Egal ob auf zwei oder vier Rädern, ob Formel-Rennwagen oder Trucks: Unter dem Motto »Lass krachen Kumpel« jagt ein Höhepunkt den anderen. Hauptsache, die Fetzen fliegen (durch die Luft) und die Teile brechen in Stücke. Natürlich aus verschiedenen Kamerapositionen und in Slo-Mo. Wenn in den Bildern Blech zu Schrott zerschreddert wird, darf der Kommentar nicht zurückstehen: Blech brabbeln ist Pflicht. Das übernimmt in einer halblustigen Doppelconference das jung-dynamische Duo Judith (»mein zweiter Vorname ist Aral«) und Flo. Ihre Scherzversuche treffen wie die Tiefschläge eines Mike Tyson. Judith macht auf Tussi und Flo gibt den Prolo. Die Manta- und GTI-Fahrer kompatiblen Sprüche krönt Flo einmal pro Sendung mit dem Ausruf: »Bumm hat`s gmacht«. Dann weiß auch der letzte Tuning-Trottel, dass dies der »Crash des Tages« war. Im englischen Original heißt das Ganze »Car Wars«, die Unfälle gehen laut Judith und Flo aber immer glimpflich aus. Die Freunde dieser mitunter sechsmal pro Tag ausgestrahlten Blechtrottelei sind keineswegs gemütsstumpfe Psychopathen. Schließlich wird am Wochenende die eigene Kiste poliert und werden die Sitze gesaugt. Bevor wieder munter rechts überholt und ordentlich auf die Tube gedrückt werden kann. Freie Fahrt für freie Bürger!