mai 2000

Gerald Gröchenig

Die hohe Schule des Geschmacks

Sommelier-Präsident Erminio di Monte war zwei Tage im ARGE-Beisl zu Gast

Für ein besonderes Kulturgastspiel hatte das Arge-Beisl einen echten Präsidenten zu Gast: Erminio di Monte von der Organizzazione Nazionale Sommeliers O.N.S. mit Sitz in der Toskana gab sich die Ehre. Mitgebracht hatte er mit Giovanni Riccucci einen italienischen Spitzenkoch sowie einen Lieferwagen voll italienischer und toskanischer Weine und Lebensmittel.

Gemeinsam gestalteten die beiden ein zweitägiges Weinseminar, das den TeilnehmerInnen als »angenehm strapaziös« in Erinnerung bleiben wird: Die täglichen sieben Stunden Zuhören, Riechen und Kosten (pro Tag wurden ca. 15 Weine und ein zehngängiges Menü verkostet) verlangten von Veranstaltern wie auch Publikum Steh- und Sitzvermögen.

Am Beginn stand jeweils ein dreistündiges Referat, wobei Di Monte versuchte, Geschichte, spezielle Bedingungen der Toskana wie auch klimatische und kulturelle Eigenheiten zu vermitteln. Die speziellen Leistungen Cosimo III Medici für den Weinbau oder die Entwicklungsunterschiede zwischen Italien und Frankreich wurden dabei genauso angesprochen wie Bodenbeschaffen- heiten, Anbautechniken oder Gärungsverfahren. Zur Verkostung gelangte dabei fast alles, was die Toskana an Köstlichkeiten zu bieten hat: Natürlich durften »Flaggschiffe« wie Sassicaia, Tignanello oder diverse Brunello-Produkte nicht fehlen. Begeisterung entfachten aber eher Weine wie ein Morellino di Scansano riserva der Fattoria Moris Farms bei Massa Marittimo oder der 96er Vino Nobile des Weinguts Avignonesi bei Montepulciano.

Anhand der Menüs versuchte Sommelier Di Monte zu erläutern, was er unter Harmonie von Speise und Wein versteht. Vor jedem Gang wurden die Zutaten und Gewürze der Speisen sowie die Eigenschaften der dazu kredenzten Weine beschrieben. Danach war man aufgefordert, seinen Geschmackssinn zu schärfen und die Geschmacksempfindungen nachzuvollziehen. Einige dieser Kombinationen entlockten dem Sommelier ein zutiefst ehrliches »da morire« (Zum Sterben gut), z.B. die Kombination eines einfachen Martini bianco mit den großartigen mit Kapern gefüllten Peperoncini der Fa. Mongetto aus Monferrato (wenige Gläser davon sind im Herbst auch wieder bei der Fa. Stangl in Salzburg erhältlich), ein Goldbrassen-Carpaccio mit einem Vermentino von Antinori oder eine toskanische (süsse) schiacciata in Verbindung mit dem Asti Spumante »La Selvatica«.

Und auch hier fehlte es nicht an sozialen und historischen Erläuterungen: So konnte man erfahren, wie in dem nicht am Meer liegenden Landteil Piemont die scharfe Fisch-Knoblauch-Sauce »Bagna Cauda« ein Nationalgericht werden konnte - die dafür benötigten Fische gelangten als Nebenprodukt von Salztransporten in die Region. Oder wie sich eine livornesische Armenspeise, der Fischeintopf Cacciucco, über die Jahre zum (teuren) Spezialgericht wandelt.

Die Mischung von önologischem Fachwissen in Verbindung mit Geschichte, Sozialgeschichte und Geografie machten den Reiz der beiden Tage aus. Und auch die Ehrlichkeit des Sommeliers: Wenn ihm einige der kredenzten Tropfen überteuert schienen, wurde auch schon mal ein Kapitel über Marktmechanismen oder Preisgestaltung eingeschoben.

Für alle, denen die zwei Tage trotz ihrer Intensität zu kurz waren oder die sie einfach versäumt haben: Das in Salzburg ansässige Centro Interculturale bietet Seminare mit Erminio di Monte in der Toskana und in Venedig an. Die dauern dann eine Woche und bieten zum Seminar in Salzburg einen grossen Vorteil: Von den Winzern redet man nicht nur, man kann sich dort mit ihnen selbst unterhalten.